Die agile Transition war bei Mayflower begleitet von einigen Irrtümern und Fehleinschätzungen. Das begann schon damit, dass wir 2006 davon ausgingen, die Implementierung von Scrum würde drei Monate dauern und der Übergang wäre geschafft. Heute stellen wir fest, dass wir gut unterwegs sind zum Wandel in eine echt agile Organisation.
Das ist nur einer von vielen Lessons Learned aus zehn Jahren Transition. Im Interview blickt Albrecht auf die schönsten Fettnäpfchen aus 10 Jahren agiler Transition zurück.
„Oh, ihr macht Scrum?“
Wie kam es dazu, dass Mayflower 2006 Scrum eingeführt hat?
Auf der Suche nach einer neuen Projektmanagement-Methode wurden wir von MySQL inspiriert, die schon mehr als zehn Jahren Scrum in ihren Entwicklungsteams nutzten. Gerade die Daily Stand-Ups und monatlichen Sprints taten es uns an. Später inspirierte uns das agile Mindset, das mehr Verantwortung und Autonomie für Entscheidungen an die Teams verlagert. Das heißt, Entscheidungen von denen getroffen wurden, die davon betroffen waren und die über das notwendige Wissen verfügten.
Wenn man so will, war es letztlich auch das Ende einer Kontrollillusion, dem Glauben, dass sich alles bis ins letzte Detail von Anfang klären und planen lässt. Kurz: Es war so viel anders, als die Kultur, die damals in der IT-Branche vorherrschte, #Top-Down-Entscheidungen, #Wasserfall.
Wir gingen damals davon aus, dass die Transition drei Monate dauern würde. Auch das war, rückblickend betrachtet, natürlich eine Illusion. Ich kann mich erinnern, dass aus den eigenen Reihen damals auch einiger Widerstand kam: „Wozu brauche ich ein Scrum of Scrums? Ich kriege doch den ganzen Tag mit, wie es um mein und eure Projekte steht.“
Was siehst du als die größten Schwierigkeiten auf dem Weg zu einem agilen Unternehmen an? Was sollten andere nicht unbedingt nachmachen?
Was man sich klar machen muss und was wir auch unterschätzt haben: Mit jedem Projekt lernst du mehr, es gibt immer wieder Rückschläge. Gerade am Anfang haben wir uns strikt an die „Regeln“ gehalten, auf die Einhaltung von Strukturen und Prozesse geachtet. Einfach weil wir es nicht besser wussten. Erst im Laufe der Zeit haben wir uns davon gelöst. Enorm wichtig waren dabei der regelmäßige Austausch und die Retros.
Eine Schwierigkeit ist natürlich, dass wir anders aufgewachsen sind – Mayflower ist in Zeiten der Old Economy gegründet worden.
Noch dazu ist Deutschland ein Land der Ingenieure. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten viele Erfolge erlangt, indem wir komplizierte Probleme gelöst haben. Nun stehen wir jedoch vor vielen Aufgaben komplexer Natur. Wir können viele Herausforderungen der heutigen Zeit nicht mit den Denkweisen, Methoden und Werkzeugen des letzten Jahrhunderts bewältigen.
Dazu gehört auch, den Crew-Mitgliedern bei Mayflower Verantwortung zu übertragen – das löst Angst und Unsicherheit aus. Auf beiden Seiten. Und natürlich war die Fehlerkultur nicht sonderlich entwickelt. Erst mit der Zeit haben wir gelernt, dass Fehler nichts Schlimmes sind, sondern zum Entwicklungsprozess dazugehören.
Trau keinem über 30
Zehn Jahre agile Transition. Das ist eine lange Zeit. Da fragen sich bestimmt einige, warum sind die noch nicht angekommen?
Manchmal ist es wie eine Hin- und Herbewegung – zwei Schritte vor, ein Schritt zurück. So haben wir es ab einer gewissen Firmengröße (mehr als 30 Mitarbeiter) es für richtig gehalten, die Position von Teamleitern zu kreieren. Das klang damals ziemlich vernünftig: Wenn wir weiter wachsen wollen, brauchen wir Strukturen. Frei nach dem Motto: Trau keinem über 30 (Mitarbeiter).
Diese Strukturen haben wir dann wieder nach und nach abgebaut, weil wir einsehen mussten, dass Teamleiter, Prozessdiagramme, Organigramme, Managementrunden uns in unserem Ziel, erfolgreicher und schneller im Markt zu agieren, nicht weiterbringen.
Was siehst du derzeit bei Mayflower als Herausforderung in Sachen agile Transition?
Als Unternehmen noch stärker zusammenzuwachsen. Wir haben mittlerweile drei Standorte (Berlin ist dieses Jahr neu eröffnet worden). Gerade zwischen Würzburg und München müssen wir den Austausch noch intensivieren.
Und natürlich die „ewige“ Frage: Wie können wir erfolgreich agil mit Kunden zusammenarbeiten? Wie schaffen wir es, dass der Kunde uns versteht und wir ihn?
„Das Projekt retten oder meinen Bonus?“
Bei den 32 Fettnäpfchen hast du unter anderem Zielvereinbarungen aufgeführt. Wieso war das keine so gute Idee?
Wir waren überzeugt, dass Ziele die Mitarbeiter motivieren würden, dass dadurch die Leistung weiter gesteigert würde. Dafür haben wir einen Leitfaden erarbeitet, 30 Seiten waren es am Ende. Es gab gefühlt 100 Feedbackschleifen. Das Ganze hat 1,5 Jahre gedauert.
Ein halbes Jahr nach der Einführung haben wir es wieder abgeschafft. Erstens mussten wir die Ziele alle drei Monate neu nachjustieren und dann stellte ein Teamleiter in einer brenzligen Projektsituation die absolut berechtigte Frage: „Was soll ich tun? Das Projekt retten oder an meinem Bonus arbeiten?“
Die gleiche Erfahrung haben wir mit der „Institution“ Teamleiter gemacht. Gut gemeint ist, heißt nicht zwangsläufig gut gemacht.
Inwiefern?
Wir haben die besten Leute aus den Teams zu Teamleitern gemacht. Mitunter waren das auch die stärksten Architekten, die nicht unbedingt auch kompetent waren, ein Team gut zu leiten. Mittlerweile sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass die Führungsfiguren am besten durch das Team selbst anerkannt und bestätigt werden.
Und so passiert das eigentlich mit vielen Dingen. Wir führen etwas ein und merken: So wie wir uns das vorgestellt haben, funktioniert es nicht. Wir müssen es entweder adaptieren oder einen neuen Prozess finden, der sich an den Problemen ausrichtet.
Jeder redet von agil: Was heißt das für dich?
Schnell dazu lernen, gemeinsam mit dem Kunden/dem Team. Das heißt, sich immer zu fragen: Was läuft gut, was schlecht? Was müssen wir ändern? Was wissen wir, was nicht?
Wir können es uns als Unternehmen am Markt nicht mehr leisten, langfristig Dienstleistungen anzubieten, die der Markt oder unsere Kunden nicht brauchen.
Wer noch mehr über die Lessons Learned aus zehn Jahren agiler Transition erfahren möchte, Albrecht hält am 02. September auf der Tools4AgileTeams den Vortrag „Nicht nachmachen: unsere schönsten Fettnäpfchen aus 10 Jahren agiler Transition“. Darin geht er ausführlich auf die diversen Irrtümer ein.
Falls sich genügend Interessenten finden, können wir gerne auch ein Webinar dazu machen. Einfach einen Kommentar hinterlassen oder uns eine E-Mail schreiben.
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