Tagebuch: Der #wirfürschule-Hackathon

#wirfürschule-Hackathon, Juni 2020. Ein Tagebuch.

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Nachdem mir der #wirvsvirus-Hackathon ein bisschen zu crowded und chaotisch war, versuchte ich mich nun als Coach beim nächsten großen Corona-Hackathon: #wirfürschule. Diesmal stand die Digitale Schule im Blickfeld der Aktivitäten.

Es war angekündigt, dass man ein bis zwei Stunden am Tag zur Verfügung stellen sollte. Das klang mach- und mit meiner Arbeitszeit vereinbar, also los – versuchen, etwas Gutes zu tun. Ich bin ja selbst Papa, aber die Schule hat noch ein Jahr Zeit bei uns. Die letzte Gelegenheit vielleicht, ihr vorher noch ins 21. Jahrhundert zu verhelfen, bis meine kleine „Digital Native“ dann selbst zur Schule geht.

#wirfürschule: Noch drei Tage bis zum Start

Heute ist Freitag, noch drei Tage bis es los geht. Die erste Mail kommt rein, Einladung zu Slack. Ich klick drauf und bin auch schon drin. Mein erster Eindruck: gut!

Es gibt eine Reihe von Channels, die irgendwie ganz sinnvoll aussehen und ein Bot führt durch ein kleines Onboarding. Erklärt werden die Channels, wofür sie da sind und wie man damit arbeiten sollte.

Außerdem wünscht sich der Bot, dass man seine Profession, Namen und ein Bild im Slack-Profil vervollständigt. Es wird auch daran gebeten, die Netiquette des Hackathons einzuhalten. Eine Selbstvorstellung soll ebenfalls gepostet werden.

Samstag. Noch zwei Tage bis zum Start.

Slack füllt sich langsam. Waren es am Freitag noch ein paar hundert User, sind es inzwischen schon deutlich jenseits von tausend Benutzern – und es werden schnell mehr. Die ersten Leute stellen sich vor.

Manche nutzen die Chance, ein bisschen ihr Unternehmen in den Vordergrund zu schieben, aber der Großteil spricht zuerst von sich selbst und was sie/er tun kann. Einige sind auch bei freien Projekten zu Chat-Systemen und Online-Tools für Schule & Co. aktiv und teilen kurz Infos und Links zu ihren Projekten.

Man merkt: alle sind motiviert, etwas für die Digitale Schule in Bewegung zu bringen. Der Ton ist locker und sehr freundlich. Wenn jemand um Hilfe ruft, kommt gleich jemand vom Veranstalter und kümmert sich.

Sonntag, der Tag vor dem Start

Briefing für Coaches um 17:00 Uhr. Ungünstige Zeit für Papa mit Kind … aber gut, es wird aufgezeichnet. Ich kann es mir also abends nochmal reinziehen.

Ich gucke auf den User-Count und sehe: Wow! Inzwischen sind 400 Coaches im Slack, insgesamt an die 6.000 Teilnehmer. Mal sehen, ob die alle aktiv etwas machen werden aktiv.

Abends: Das erste Briefing nun als Recording mit Zoom. Es gab schon Kritik wegen der DSGVO, aber hey, man bleibt friedlich und guckt erstmal per Zoom. Als erste Aktion schließe ich mich einigen anderen an, die vorschlagen, doch sowas wie Jitsi etc. fit und ready für die Schule zu machen. Aber wir sind ja Coaches, beraten also vor allem die Teams und deren Projekte. Mal sehen was kommen wird.

Das Briefing für Coaches läuft; bzw. bei mir die Aufzeichnung. Das Initiatoren-Team besteht aus drei Leuten, die alle sehr sympathisch wirken und mit ihrer abwechselnden Moderation gut eingespielt scheinen. Es gibt einen Onboarding-Guide, verwendet wird Notion als Tool für Wiki-Dinge und andere Kleinigkeiten. Und es gibt einen Stundenplan für einige wenige gemeinsame Termine.

Der gute alte Stundenplan wird es also wohl auch in das digitale Zeitalter der Schule hinüberschaffen …

Pull

Das Konzept ist aber ansonsten völlig frei, bzw. auf „Pull“ ausgelegt. Die Teams wählen und erarbeiten selbst die Projekte, es gibt keine Vorgaben zur Arbeitsweise. Es gibt vorab grob definierte Themenbereiche, in denen Lösungen gesucht werden, z. B. Eigenverantwortung von Lehrern und Schülern, Gemeinschaftsgefühl im Home Schooling, neues Schuljahr beginnt mit COVID19, und, und, und. Außerdem wurden bis Ende Mai auch Challenges zu diesen Themen gesammelt, denen ebenfalls vorab Paten und eine Priorisierung zugeteilt wurden.

An diesen Challenges soll im Hackathon nun also gearbeitet werden. Die Teams sollen autonom arbeiten und werden mit Ressourcen (wie Coaches und Experten) supportet.

Es werden noch einmal die Regeln für Slack erklärt und verfeinert. Das Symbol im Slack-Status wird für die Rolle des Teilnehmers verwendet, z. B. sollen Coaches eine „winkende Hand“ einstellen. Coaches haben auch einen eigenen Slack-Channel. Dazu gibt’s was für Ankündigungen und Orga sowie je einen Channel, um Fragen an Coaches zu stellen und für die Vorstellung.

Infos aus der Vorstellung werden von den Moderatoren nach Notion in eine Coaches-Datenbank kopiert. So kann man später von Teilnehmern am Hackathon gefunden werden, je nach Wissen und Fachgebiet. Es gilt dabei das Pull-Prinzip, d. h. die Teams oder ein Koordinator in den Teams spricht mich als Coach bei Bedarf an. Die Sprache des Hackathon ist Deutsch. Die gesammelten Infos werden nach dem Hackathon aus Datenschutz-Gründen wieder gelöscht.

Die Onboardings in Notion erscheinen mir gelungen zu sein; allerdings habe ich mir nur den Bereich für die Coaches aktiv angeschaut. Und es gibt Tipps zu Tools und Programmen, die man für die Zusammenarbeit nutzen kann. Das Wiki-System in Notion scheint einfach, ist übersichtlich und lässt schnell passende Kontakte finden. Coaches konnten bereits bei der Anmeldung angeben, von wann bis wann sie an welchen Tagen in der Hackathon-Woche verfügbar sind.

… was später während der Woche übrigens keinen mehr interessiert hat.

Macht alles einen runden Eindruck mit netten kreativen Slack-Hacks, z. B. kann man im Hilfecenter Änderungen für die Notion-Datenbank einstellen. Ein Moderator markiert den Slack-Post dann mit einem „Auge“ wenn in Arbeit und mit „Checkmark“ wenn erledigt.

Ich bin gespannt, wie es sich die kommenden Tage in der Praxis dann Slack und Notion mit diesen Regeln als nützlich erweisen. In einem Slack mit mehreren tausend Usern war ich bisher noch nicht.

Slack als das neue Excel der Event-Orga, das wird spannend …

Montag, Tag 1 – es geht los

Der Hackathon beginnt mit einer Videobotschaft der Initiatoren. Den Kick-Off kann man sich auf YouTube auch nachträglich anschauen:

Achtung, YouTube!

Datenschutz ist uns wichtig! Daher müssen wir noch kurz etwas los werden … Um das Video direkt auf dieser Seite angezeigt zu bekommen, musst Du leider folgende Cookies akzeptieren: statistik, Marketing.

Verschiedene Themen und Ziele des Hackathons werden angesprochen und grob skizziert. Unter anderem soll es um Ideen für den FREI DAY gehen, wenn Schüler schul-übergreifend an Projekten arbeiten. Aber auch Zukunftskompetenzen, Soziale Gerechtigkeit (also vor allem Kinder integrieren, die keine Technik zur Verfügung haben), IT-Support, Schulen agiler machen, die allgemeine technische Ausstattung an Schulen und natürlich die Fortbildung von Lehrer*innen spielen eine Rolle. Zu alle diesen Themen soll es digitale Lösungen geben, die während dieser Woche entwickelt werden sollen.

Max vom Lehrer-Marktplatz erklärt, dass viele Lehrer während des Lockdowns in der Schule anfangen, nach dem Thema „eigenständiges Lernen“ zu suchen. Auch würden Materialen auch mehr  als bisher mit anderen Lehrern geteilt. Anscheinend war gemeinsame Unterrichtsvorbereitung bisher kein Thema in der Lehrer-Community. Nun, wo es um digitalen Content für den Unterricht geht, sucht man den Austausch mit Kollegen*innen.

Challenges ohne Ende

550 Challenges, komprimiert auf 50, gibt es, die bearbeitet werden sollen. Es gibt am Ende eine Jury, die einen Gewinner in jedem Themenfeld kürt. Doch nach dem Hackathon ist vor dem Hackathon: es soll auch später weiter an den Themen gearbeitet werden.

Für die Hackathon-Woche sind die Teams erstmal festgelegt, aber später kann man wieder in Projekte einsteigen. Die Initiatoren haben es anscheinend geschafft, auch die Politik aktiv in den Hackathon einzubinden. Die Hoffnung ist sicherlich, dass Ergebnisse direkt bei den relevanten Stellen ankommen und auch angenommen werden.

Die Themenfelder sind sich auf der Website des Hackathons, vor allem das erste Gebiet hat interessante Challenges.

Der Rest des Tages vergeht gefühlt damit, dass sich die Teams finden. Wichtigstes Tool dafür ist Slack und das Pull-Prinzip.

Relativ schnell zeigt sich, dass es etwas schwierig sein kann, wenn so viele Menschen, die in ihrem Alltag eigentlich das Gegenteil erleben, auf einmal ganz agil arbeiten sollen. So wie Schule digitalen Nachholbedarf hat, haben viele Teilnehmer grosse Schwierigkeiten, mit der vorgeschlagenen Arbeitsweise klar zu kommen.

Dienstag, Tag 2 – man nimmt Fahrt auf

Einige haben immer noch keine Teams und Challenges gefunden, an denen sie arbeiten. Man versucht, initiativ Lösungen zu finden. Ein guter Teil der User in Slack scheint mir aber nicht abgeholt oder überfordert zu sein. Dennoch helfen sich alle gegenseitig, die Stimmung ist enorm konstruktiv und man bemüht sich, alle mitzunehmen, die sich mitnehmen lassen wollen.

Eine ganze Reihe an Coaches ist im Agile-Umfeld aktiv. Teilweise wundere ich mich über „Agile“ Aussagen der Agilsten, wie beispielsweise, dass sich manch einer als „Teamleiter“ eines agilen Teams vorstellt. Wer das Agile Mindset verinnerlicht hat, kann sicherlich verstehen, was mich da ins Grübeln bringt.

Manche Agilisten entwicklen ein ordentliches Sendungsbewusstsein – schon am zweiten Tag. Da geht es dann nicht mehr darum, die Challenges zu bearbeiten, sondern vielmehr darum, den Lehrer*innen die Agile Arbeitsweise nahezubringen.

Nur dass das nicht Ziel des Hackathons ist, sondern eben Ideen zu sammeln und zu entwickeln, wie man Schule digitaler machen kann. Insbesondere aktuell zur Corona-Zeit.

… und ich?

Ich habe zwei Anfragen von Teams erhalten, denen ich mit technischem Background zur Auswahl von Technologien helfe. Vor allem braucht es erstmal Tooling und Methoden, wie man Ideen remote gemeinsam zu Papier bringt. Ich erkläre also Learning by Doing, wie man mit Miro-Boards, Personas, Aktivitäten und User Stories eine Idee zu beispielsweise einer App skizziert und ausarbeiten kann. Das wird sehr gut angenommen und schnell adaptiert.

Auch Wireframes werden in Miro gebaut, manch einer versucht sich auch an anderen Tools oder pinselt einfach pragmatisch Dinge auf seinem iPad und lädt sie dann in Miro.

Fazit an diesem Tag für mich: in nur 15 Minuten versteht eigentlich jeder, wie man mit Miro arbeitet. Wenig später sind dann die meisten auch mutig genug, Zettel aufs virtuelle Whiteboard zu posten und mitzumachen. Das finde ich cool und sehr spannend!

Mittwoch, Tag 3 – man arbeitet intensiv

Heute gibt es wenig Anfragen, die bei mir ankommen. Nicht nur Teilnehmer*innen scheinen mit dem Pull-Prinzip dieses Hackathons Probleme zu haben. Einige Coaches haben sich ebenfalls bereits frustriert verabschiedet. Viele andere aber haben angefangen, sich aktiver in den Teams anzubieten.

Slack ist ziemlich voll, aber noch verwendbar. Um Dinge zu bewegen, muss man eben mitmachen und versuchen, etwas zu bewegen. Alle die sich wirklich engagieren, sind heute glaube ich im Hackathon-Modus angekommen. Es gibt etwas Support mit Video-Calls und Erfolgsstories Seitens der Veranstalter, um zu zeigen, wie man erfolgreich im Hackathon arbeiten kann.

Wo sind die Entwickler?

Ein von mir betreutes Team ist etwas frustriert bzgl. der Dichte an Developern im Hackathon; die ist nämlich praktisch nicht vorhanden. Vielleicht würde es der Name „Analogothon“ eher treffen, jedenfalls geht es zwar um digitale Themen, es gibt aber wenig Kompetenz bzgl. Umsetzung dieser IT-Themen.

Irgendwie habe ich wieder das Gefühl, dass das ganz gut den derzeitigen Zustand der Schule widerspiegelt: viele würden gerne mehr digital machen, haben auch viele Ideen, nur gibt es zu wenige, die das umsetzen könnten.

Donnerstag, Tag 4 – es wird digital

Inzwischen betreue ich drei Teams und supporte einen Schüler beim Hacken einer Ruby-on-Rails-App. Wobei man das Ausfindigmachen einer bestimmten Zeile im Programmcode und deren Anpassung jetzt nicht als „Hacken“ bezeichnen kann. Im Sinne des Analogothons ist es jedoch nur fair, es so zu nennen.

Die anderen drei Teams schlagen sich ganz gut. Man diskutiert, konzipiert, brainstormed und miroboarded fleissig vor sich hin. Bis Morgen soll jedes Team ein Video haben, um in zwei Minuten seine Ideen und Konzepte vorzustellen. Die Ergebnisse werden alle auf DevPost publiziert.

Donnerstag, Tag 5 – Finale

Heute ist es geschafft! Am Ende gab’s nicht so viel zu tun für mich – mehr am Anfang als am Ende des Hackathons.

Ich möchte es nicht versäumen, eine schöne Idee eines der Teams vorzustellen, das ich in dieser Woche betreut habe: die MonteApp. Idee ist es, die Montessori Lern-Materialien in Form einer App digital zur Verfügung zu stellen.

Die Teilnehmer hatten sich viele Gedanken gemacht, wie man die Haptik z. B. eines Rechenschiebers auf eine App transferieren könnten. Ein erster „MVP“ mit Wireframe ist entstanden, man hat Inhalte gesammelt und alles ganz ordentlich so aufgeschrieben, dass man fast schon anfangen könnten es technisch umzusetzen.

Der Spirit in diesem Team hat es mir angetan, und auch wenn ich bisher mit wenig Montessori Kontakt hatte, werde ich bei etwas Zeit und Gelegenheit an einem Mayday bei uns versuchen, einen Teil der Idee als React-Native-App umzusetzen.

Wer sich mir anschliessen mag, hier der DevPost dazu.

Liebes Tagebuch …

Was habe ich für mich mitgenommen? Neben für mich praktischem Feedback der Teilnehmer*innen zu meinem Coaching einiges an Eindrücken zum digitalen Zustand der Schule, einen guten Überblick darüber, was derzeit in der IT an Schulen so passiert und wie sehr es von engagierten Lehrer*innen abhängt, was passiert. Und in welcher Qualität.

Von Dingen wie gemeinsamen Plattformen für Schüler*innen oder Lehrer*innen ist man jedenfalls noch sehr weit entfernt. Datenschutz spielt überall eine grosse Rolle, Wissen dazu fehlt aber noch. Die Ideen sind dafür alle da und meist auch gut. Vielleicht könnte man im Bereich Open Source auch mehr tun, um dem Schulsystem in Deutschland zu helfen?

Devs und Agilisten

Nervig fand ich (angebliche) Agilisten mit zu viel „Eigenantrieb“. Agile Methoden sollten kein Selbstzweck sein, sondern es Menschen ermöglichen, besser, näher und intuitiver im Team zusammenzuarbeiten.

Schade fand ich, dass wenige Developer am Hackathon teilgenommen haben. So ist letztlich fast nirgendwo ein Prototyp einer App oder ähnliches entstanden. Dafür reichten weder das versammelte Know-How noch die Dev-Power leider nicht aus.

Die Organisatoren haben sich jedenfalls bemüht, einen guten Rahmen zu schaffen und gingen auf Feedback der Teilnehmer*innen während der Woche mit kleinen Änderungen ein.

Wie geht es weiter?

Der Hackathon soll nachwirken und es wurden mögliche Förderungen von Ideen etc. angekündigt.

Insgesamt scheint mir das Thema der Digitalisierung jedoch noch ganz am Anfang zu stehen. Immerhin wurde von den Schulen bisher auch nur ein Bruchteil der finanziellen Mittel des sog. Digitalpakts abgerufen. Wie gesagt: Ideen gibt es viele, aber konkrete Pläne zur Umsetzung brauchen dann auch technisches Known-How.

Es gab nochmal ein Debriefing mit Stimmen aus dem Hackathon und den weiteren Plänen der Initiatoren auf YouTube:

Achtung, YouTube!

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Schaut mal rein. Vielleicht findet ihr eine Idee, die ihr als Entwickler oder Coach weiter supporten  könnt? Letztlich bietet sich hier die Chance, auch als Privatperson mitzuhelfen, die Schule für unsere Kids ins Digitalzeitalter zu bringen.

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