In Teil 1 haben wir uns angeschaut, mit welchen Schritten wir eine Geschäftsidee validieren und ein Backlog erstellen können. Jetzt wollen wir auf einige nützliche Hilfsmittel eingehen, die wir in unserer agilen Tool Box haben. Sie sollen uns helfen, Entscheidungen zu treffen, Differenzen aufzulösen und den Fokus auf den Business Value zu halten. Die immergültige Anleitung gibt es nicht, dafür sind Projekte und Mitspieler zu unterschiedlich. Und es gibt natürlich beliebig mehr Tools. Wir möchten hier Anregungen geben und den kreativen Umgang mit diesen Hilfsmitteln anstoßen.
Scrum verwendet die Bezeichnung „Grooming“, wenn es um die gemeinsame Arbeit an den Stories im Backlog gehen. Das „Durchkämmen“ von Stories ist ein passendes Bild: bürsten wir in alle Richtungen, versuchen wir neue Frisuren, stecken wir sie hoch, ziehen wir Scheitel, drehen wir Locken, verwenden wir Gel. Sie werden sehen, dass Ihr Produkt verschiedene Perspektiven und Aspekte hat, Sie werden es besser verstehen, das Modellieren des Produktes verbessern und die Interaktion in Ihrem Team optimieren.
Wir benutzen immer einen Rettungsring – er verhindert, dass gute Ideen, die nicht im Fokus liegen oder jetzt nicht die notwendige Priorität erzielen, erhalten bleiben. Mit einem Stichwort oder einer kurzen Beschreibung werden Gedanken festgehalten. Wer moechte, hat Idea Cards zur Hand, die eine Ausformulierung erzwingen, die man auch später noch versteht.
Entscheidungsfinder
Viele Meinungen bringen Vielfalt, aber zur Umsetzung muss eine Entscheidung getroffen werden. Drei Gründer, drei Meinungen, kein Konsens – eine alltägliche Situation.
Der hoffentlich kleinste gemeinsame Nenner ist die Produktgrundidee und der Wille, so schnell als möglich auf den Markt zu gehen. Wie kann ich diese Grundidee herausarbeiten und verbindlich machen?
Decision Matrix
Eine Decision Matrix kann helfen, wo eine „sachliche“ Entscheidung quantitativ nicht möglich ist. Es ist ein methodischer Versuch, Objektivität auf qualitativen Merkmalen zu erzeugen.die
Konkrete Ziele oder Anforderungen werden formuliert und anschließend in ihrer Wichtigkeit z.B. auf einer Skala von 1-10 priorisiert.
Requirement 1 | 8 |
Requirement 2 | 3 |
Requirement 3 | 10 |
Anschließend werden die Werte nach folgenden Kriterien bepunktet.
+1 | wird mit dieser Lösung optimal umgesetzt |
0 | die gewählte Lösung spielt fuer diesen Punkt keine Rolle |
-1 | wird mit dieser Lösung schlecht umgesetzt |
Mit diesen Einheiten bewerten wir jede Anforderung auf der jeweiligen Lösung. Abschließend multiplizieren wir mit dem Gewicht und addieren das Ergebnis pro Lösung auf.
Requirement | Weight | Solution 1 | Solution 2 | ||
---|---|---|---|---|---|
# 1 | 8 | 1 | 8 | 0 | 0 |
# 2 | 3 | 0 | 0 | -1 | -3 |
# 3 | 5 | -1 | -5 | 1 | 5 |
Result | 3 | 2 |
Das Ergebnis gibt eine gute Entscheidungsgrundlage für die nächsten Schritte. Man sollte die gewählte Lösung nicht in Beton gießen! Anforderungen ändern sich, Märkte wandeln sich, Erfahrungen und Erkenntnisse wachsen. Überprüfen Sie Ihre Anforderungen und Lösungsansätze erneut, wenn Sie das Gefühl haben, dass es gute Gründe dafür gibt.
Risk impact and likelihood
Eine weitere Möglichkeit, die großen Achsen der Umsetzungsstrategie abzustecken, ist eine Analyse der Risiken in Auswirkung und Wahrscheinlichkeit des Eintretens.
Alle Risiken werden aufgeschrieben und in einem Koordinationsystem aus den Achsen Impact und Likelihood verortet. Wir stellen uns die Frage: „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas eintritt und wie groß ist die Auswirkung, wenn es eintritt. Wir erkennen dann die kritischen Bereiche, denen unser Augenmerk gilt. Mit derselben Methode können wir auch nach Chancen fragen und erhalten positive Bereiche, die uns voranbringen und die wir fördern wollen. Viele Mitspieler aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen helfen, Voreingenommenheiten zu bereinigen. Tun Sie die Dinge, die einen positiven Einfluss haben. Überlegen Sie, wie Sie Dinge mit negativem Einfluß vermeiden oder abmildern können.
Wenn alles gut lief, haben wir von der Umsetzung unserer Geschäftsidee ein ausdifferenziertes Bild und werden Fragen jetzt hoffentlich an einen gemeinsamen Entscheidungshorizont stellen: Viele Köpfe – eine Idee.
Richtig priorisieren
Jetzt haben wir unter Umständen die richtige Strategie für die Umsetzung gefunden, wissen aber noch nicht, in welcher Reihenfolge die Umsetzung der Feature erfolgen soll. Das können wir von zwei Seiten beleuchten.
Aus der Business-Sicht
Hier helfen uns zum Beispiel das Stacey Diagramm oder eine Betrachtung über den Return on Invest.
Das Stacey Diagramm zeigt uns, wie sich einfache, komplizierte und komplexe Aufgaben in Bezug auf unsere Kenntnisse der Anforderungen, ihre absehbare Stabilität und unser technisches Know-How verhalten.
Gibt es Konsens über die Plazierung im Diagramm, ist ein wesentlicher Schritt zur Priorisierung getan. Komplexe Dinge anzupacken, kostet Zeit. Es braucht unter Umständen mehrere Iterationen, bis die richtige Lösung gefunden ist. Kann der Markt auch mit einer einfachen Umsetzung befragt werden, sollte diese Variante gezogen werden.
Return on invest
Projekte sollen etwas abwerfen, Kapital soll sich verzinsen. Feature regelmäßig auf ihren Return On Invest hin abzuklopfen, muss eine Standardübung in der Projektarbeit sein. Das folgende Diagramm soll verbildlichen, wie eine solche Bewertung aussehen kann.
Wir bewerten Stories nach ihrer Komplexität und nach dem Business Value, das sie erzeugen. Wir haben dann eine klare Übersicht, womit wir starten, wenn wir Business Value erzeugen möchten. Manche Vorlieben und Steckenpferde werden auf der Strecke bleiben – nutzen wir den Rettungsring, um alle Mitspieler bei Laune zu halten.
Aus Kundensicht
Wer ist mein Kunde und was will er?
Sich in den Kunden zu versetzen, gehört zu den Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Projektplanung. Personas helfen, Zielgruppen repräsentativ zu erfassen. Eine Customer Journey verdeutlicht das komplexe Gewebe von Aufmerksamkeit, Erlebnis, Aktion und Kundenbindung. Das Kano Model zeigt uns, wie wir Dinge richtig priorisieren: So, dass der Kunde die ihm wichtigen Dinge zuerst bekommt. Entweder gibt es schon statistische Erfahrung, auf die man aufsetzen kann oder man überprüft die eigenen Hypothesen mit Auswertungstools wie Google Analytics. In Kombination mit anderen Tools zur Bewertung von ROI, werden hier Vorlieben und gefühlte Ansichten auf den Prüftstein gestellt. Basics müssen gesichert sein, lineare Beduerfnisse muessen kontinuierlich bedient werden, Exciters können später implementiert werden, um Kunden zu binden und sich von der Konkurrenz abzuheben.
Basics müssen erfüllt sein, um den Kunden nicht zu verärgern. Es sind die offenkundigen Anforderungen des Kunden. Performance ist ein linearer Wert, er soll schnell erfüllt werden und je mehr desto besser. „Performance“ bildet die offenkundigen Anforderungen ab, die über Umfragen weiter vertieft werden können. Mit der Zeit werden Exciters zu Basics. Dieser Transformation muss man mit Innovation entgegenwirken, will man am Markt attraktiv bleiben. Für uns aber gilt erstmal: Wenig ist genug, d.h. wir fokussieren auf die Basics und schaffen eine Grundstruktur, auf der wir lineare Werte schnell erzeugen und ausbauen können.
Wer möchte, kann anschließend oder auch parallel in die Entwicklung von UX Workflows und eine erste prototypische Umsetzungen gehen, um den Erfahrungsgewinn noch weiter zu steigern und die Geschäftsidee greifbar und präsentabel zu machen. Dazu mehr in Teil 3.
Viele Anregungen kann man hier finden:
- Liftoff: Launching Agile Teams & Projects, by Diana Larsen and Ansley Nies
- Gamestorming: A Playbook for Innovators, Rulebreakers, and Changemakers by Dave Gray, Sunni Brown and James Macanufo
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