Ein paar Eindrücke von der OOP-Konferenz im Messezentrum München.
Als PHP-Entwickler auf einer OOP-Konferenz. Kurze Umfrage in einem Vortrag: „Wer ist Java-Entwickler?“, über 90 Prozent der Anwesenden heben die Hand. Alles klar …
Sind Java-Programmier abgehoben?
Das OOP === Java ist aus Sicht eines Java-Entwicklers verständlich — Frage an einem Messestand über Tools zum Testen von Software: „Und können Sie damit auch PHP-Programme testen?“
Die Gesichtszüge des jungen Mitarbeiters entgleisen, ohne dass er das will. Man sieht ihn förmlich dagegen ankämpfen, dann schaut er mich an: Pullover, Halstuch, ziemlich zerknittert muss ich aussehen. Ein Öko-Programmierer, der grüne Software in dunklen Wäldern schreibt. Er gibt auf, das mitleidige Lächeln von oben herab dringt durch: „PHP? Jaaaaaaaa, also man könnte das natürlich auch … aber wozu sollte man, um Gottes Willen, denn nur PHP-Programme Unit-testen wollen?“
Ich wiederum lasse mich nicht dazu herab, ihm zu erklären, wozu man das will. Dass Java im Vordergrund stehen würde, war mir natürlich klar. Und wie man dort von uns denkt auch. Aber so krass?
Und das ist nicht das einzige Mal, bei dem ich aufgrund meiner Offenheit zum Thema PHP doch ein wenig schräg angeschaut werde. Aber Erfahrung macht manchmal auch schlau; ich erinnere mich — ungern — zurück, als ich gegen C gewettert hab und behauptete, Modula2 wäre viel toller (wer will kann ja mal in de.comp.sys.amiga.misc nach „SAS/C Stacksize berechnen“ suchen. Zur Entschuldigung: ich war jung und ahnungslos).
Wenn man erklärt, dass PHP gar nicht so weit weg von Java ist, ja dass es eigentlich sogar ganz gute OOP-Features hat (die natürlich Java nicht ganz das Wasser reichen können), wird man Anfangs ungläubig bestaunt. Ich erzähle die Geschichte vom Handwerker, der nur den Hammer kennt und man wird nachdenklich. Und bei einer Runde Tischkicker können Java-Programmierer auch echt nett sein.
In ein paar Vorträgen war ich natürlich auch.
How Secure Are We? mit Jeff Crume
Bemerkenswert fand ich den Satz „We are the product, not the customer!“. Das sollte man immer bedenken, wenn man seine Daten bei Facebook, Google und so weiter ablegt. Selbstverständlich, aber von vielen nicht realisiert: Lege dort nur solche Daten ab, die Du auch ablegen könntest, wenn alles frei zugänglich wäre.
Und dann die Sache mit den Passwörtern. Ich hatte gehofft, dass er dafür eine Lösung anbieten könnte. Zumindest eine Idee. Aber er rät auch nur, möglichst lange Passwörter, und auf jedem Dienst ein anderes Passwort zu verwenden. Und damit man es nicht vergisst, rät er zu so etwas wie KeePass. Hat mich sehr nachdenklich gemacht, weil das kann doch nicht die Zukunft sein, dass ich hier mit einem Passwortsafe leben muss, der wiederum mit einem Passwort geschützt ist? Das ganze ist echt soooo unzeitgemäß fürs 21. Jahrhundert: Entweder man lernt Passwörter auswendig, oder man macht sie möglichst einfach. Ich behaupte mal: DAS wegzubekommen ist DIE große softwaretechnische Herausforderung der 10er-Jahre! Baut zum Beispiel ein Auge nach, welches Menschen erkennt. Nicht nur am Gesicht, sondern das ganze Bild. Ist zum Beispiel der Raum richtig? Das Auge sagt dann nur noch „Ja, ich sehe das richtige Zimmer, das richtige Gesicht, die richtige Kleidung und nein, es ist nicht irgend ein Foto, das mir vorgehalten wird, sondern echt.“ Warum soll das irgendwann nicht möglich sein?
Irgendwann halt vielleicht. Bis dahin muss man sich Passwörter merken.
In dieser deprimierten Stimmung fiel mir die Folge von Al Bundy ein, als seine Tochter Kelly von Bud (deren Bruder) zum Genie gemacht wurde; da aber nur begrenzt Platz in ihrem Gehirn war vergaß sie den Vater mit jeder Lektion mehr und mehr. So könnte uns das auch mal gehen: Mit jedem Passwort, das man auswendig kennen muss, vergisst man ein bischen, wozu man sich überhaupt einloggen wollte.
Wie gesagt, ich war danach sehr deprimiert.
… und gleich noch eins drauf
Man wurde für jeden Vortrag digitalisiert. Das ganz erinnerte mich an den Film Tron — ein Laser tastet deinen Körper ab, bis er endlich den Barcode auf der Eintrittskarte um den Hals erkennt. Das heißt also, hinterher kann man genau sehen, in welchen Vorträgen ich war.
Ok, man kann natürlich davon ausgehen, dass das nicht für irgendwelche fragwürdigen Statistiken missbraucht wird. Vielleicht. Oder auch nicht. Nach dem Vortrag von Jeff Crume war ich mir da nämlich nicht mehr so sicher, ob man diese Informationen nicht auch mißbrauchen könnte. Die harmlosesten Varianten: Wenn Ihnen dieser Vortrag gefällt, dann gefällt ihnen vielleicht auch der Vortrag auf einer ganz anderen Konferenz? Und sind sie vielleicht an Kugelschreibern interessiert? Weil laut unserer Statistik haben Sie auf der Messe 14 Stück mitgenommen. Oder wie wäre es mit Gummibärchen? Wussten Sie, dass sie da ebenfalls 14 Packungen mitgenommen haben?
Hier tut meiner Meinung nach Vertrauen Not: Was passiert mit diesen Daten? Das ist nicht so richtig transparent. Schon allein, dass die Frage bei mir hochploppt ist nicht gut.
Wer will, dass man ihm vertraut, muss Transparenz schaffen.
Das gilt im übrigen auch für die Aussteller, die ebenfalls gerne den Barcode gescannt haben. Motto: „Hauptsache ich generiere Adressen, dann kann keiner sagen, die Messe hätte sich nicht gelohnt.“ Hmmmm. Ich habe echtes Vertrauen in eine Firma, deren Sales nur darauf aus ist, Adressen zu sammeln …
Die 7 Phasen des Software-Retrofit? Alte Software effektiv weiter nutzen und erweitern
Ziemlich am Thema vorbei, aber nichtsdestotrotz sehr interessant, wenn auch noch lange nicht die Möglichkeiten voll ausschöpfend, erzählte Thomas Rozon, wie man in Warenlagern alte Software wieder zum laufen bringen würde.
Das ganze war für eine Konferenz, bei der es um Objektorientierung ging … ungewöhnlich. Viel besser hätte es auf eine Messe, wie die Hannover Messe gepasst. Man stelle sich große, automatisierte Warenlager vor, 24 Stunden Schichtbetrieb. In den Regalen fahren Roboter hin und her und holen die Paletten heraus. Der Hersteller der Steuerung für diese Roboter ist seit 3 Jahren pleite. Die Disketten für die Sicherung liegen verstaubt auf dem Rechner, weil das 3,25-Zoll-Laufwerk seit einem Jahr kaputt ist.
Diesen erfrischenden Ansatz, und wie man die damit verbundenen „wahren Probleme“ löst, stellte Rozon mit zahlreichen, aus dem Leben gegriffenen Vor-Ort-Bildern gut dar. Für mich, der ebenfalls seit jeher gern diese „wahren Probleme“ sucht, ein gefundenes Fressen und ein wunderbarer Blick über den Tellerrand. Typisches Beispiel: Ein Foto eines Gardena-Schlauchwagens. Statt Schlauch ist ein 100 Meter langes serielles Kabel aufgewickelt. Damit fährt man zum Roboter und schließt ihn an die Fernsteuerung an, um zu testen. Wenn man bedenkt, dass Serial nur für maximal 15 Meter ausgelegt ist: Respekt, dass so etwas funktioniert! Anderes Beispiel: Man sucht verzweifelt nach dem alten Sourcode einer Steuerung. Die findet sich in einem Schaltschrank direkt neben den Sicherungen, in Form einer Diskette. Abgezwickte Kabel. Im Nichts endende Datenleitungen. Lauter solche Sachen.
Viele Gags kamen leider nicht so an, weil einfach das Fachwissen über solche Anlagen fehlt; schade, denn der Vortrag hätte das zum Teil durchaus vermitteln können. Leider waren es auch nur solche Lager. Es gibt da draußen sicher noch andere Typen von Großanlagen, die in so einem Zustand sind.
Bleibt die Frage, warum er auf so einer Konferenz gehalten wurde. Ich halte diese Auswahl aber für gut und wichtig, weil man immer wieder — siehe oben — über den eigenen Tellerrand hinaus sehen muss. Die gute Nachricht dabei: Für gute Entwickler wird es immer Arbeit geben und das Potential etwas zu verbessern, ist unendlich.
Erlaubt ist, was gefällt (siehe Kommentar unten!) Das hatte seinen Preis: 10 Jahre agil – Eine Retrospektive
Susanne Mühlbauer Ursula Meseberg berichtete aus ihren Erfahrungen mit Agilen Methoden. 2003 stellte ihre Firma auf Extreme Programming um und 2007 auf Scrum. 2009 kam es dann zu großen Problemen mit der Software, deren Behebung mit viel Aufwand verbunden war.
Sie stellte ihre Lösungen des Problems genau dar: Der Product Owner hat bei Ihnen mehr Rechte. Er darf steuernd in den Entscheidungsprozess eines Teams eingreifen. Grund dafür sind die enormen Kosten, die ansonsten für solche Entscheidungen entstehen.
Es wurden noch weitere Änderungen vorgestellt, leider hab ich meine weiteren Notizen zum Vortrag verloren und der USB-Stick mit den Vorträgen ist gerade ungreifbar. Aber das ist auch nicht wichtig. Fazit für sie und mich war nämlich, dass man Scrum für sich anpassen sollte und muss, wenn es Sinn machen soll. Und je kleiner eine Firma ist, umso wichtiger kann das sein. Stur dem Prozess zu folgen, kann dagegen extreme Konsequenzen haben.
Fahrenheit 451 – Agile schadet der Dokumentation
Tief beeindruckt war ich von Jörg Bächtiers Vortrag. Anfangs plagten ihn Selbstzweifel, ob er seinen Vortrag wie geplant in einem Monolog durchziehen sollte, oder nur die Einführung mit anschließender Diskussionsrunde bietet. Die Mehrheit war für Monolog. Und obwohl ich lieber diskutiert hätte, fand ich am Ende, dass es sich gelohnt hatte, es so herum zu machen, denn was er zeigte, war ein tiefes Verständnis für das eigentliche Problem, wie man in einem agilen Umfeld zu der notwendigen Dokumentation kommen kann.
Sein Ansatz war, den Rahmen für die Dokumentation — also die Menge aller Dokumente in ihrem Zusammenhang — auf jeden Fall zu erstellen. Der Rahmen, das ist die Dokumentation auf verschiedenen Ebenen der Detailierung. Hier zum Beispiel von der Architektur bis hinunter auf Modulebene. Die Inhalte der Dokumente werden erstmal mit Templates gefüllt. Das gibt dem Entwickler den exakten Rahmen vor und er muss sich nicht Gedanken machem, wo er seine Dokumentation mit Leben füllt und dass er zu viel oder zu wenig, oder gar am Ziel vorbei dokumentiert. Die Dokumente werden dann ganz normal im Rahmen des agilen Prozesses mit Leben gefüllt. Es wird dabei gerade so viel dokumentiert, wie das eben notwendig ist. Ein Modul, dessen Dokumentation sich aus dem Sourcecode ergibt, muss man nicht für die Entwickler dokumentieren. Eines, bei dem man nicht mal die Architektur versteht, dagegen vollständig. Das ist im übrigen auch eine Frage der „Definition of Done“. Außerdem führt man Buch, welches Dokument in welcher Version mit welchem Fertigungsgrad erstellt wurde — so findet man das richtige Dokument schnell.
Zwischendurch folgten immer wieder Ausschnitte aus dem Film „Fahrenheit 451“ und das gab dem ganzen Vortrag erst den tieferen Sinn hinter dem Ganzen. Dazu muss man wissen, dass es in der Geschichte darum geht, dass in der Zukunft Bücher etwas böses sind, sie werden verbrannt — von der Feuerwehr. 451 Grad Fahrenheit ist die Selbstentzündungstemperatur von Papier (man vermutet aber, dass Ray Bradbury das wohl erwas verwechselt hat). Die Analogie — das Vernichten von Information — die für mich Anfangs nicht so richtig greifbar war, gewann so zunehmend an Sinn. Der Ausblick, dass das Wissen der Entwickler in den Köpfen steckt und mit deren „Ausscheiden aus dem Team“ (der Bus-Faktor) unwiederbringlich weg ist, sollte jedem zu denken geben, der ein Projekt mittel- bis langfristig betreut.
Ich muss sagen, dass mir dieser Vortrag bei weitem am tiefesten in Erinnerung blieb, auch weil er durch dieses einfache Mittel des Films eine echte künstlerische Qualität und tieferen Sinn bekam.
Was noch?
Es gab ja auch eine Ausstellung. Es paar Firmen müssen für ihren Stand noch lernen:
- Man mag noch so adrett aussehen, aber man steht nicht vor seinem Stand mitten im Weg und labert willkürlich Leute an, was für ein tolles Preisausschreiben man hätte. Das erinnert mich zu sehr an Tunesien im Touristenviertel. Wosimmadenn?
- Wenn man denn schon mal vor einem leeren (bis auf den Mitarbeiter) Stand steht und interessiert hinschaut, sollte man zum Beispiel lächeln und einladen. Einen flotten Spruch bringen. Was nettes sagen. Oder einfach seriös wirken. Und nicht ganz schnell woanders hin schauen, nach dem Motto „Uhhh, er hat mich angeschaut, wo ist der Knoblauch, das Kreuz und der Holzpflock? … hoffentlich kommt er nicht her und fragt mich, warum ich hier rumstehe… “ ;)
Fazit
Die OOP2013 kann man durchweg als vollen Erfolg bezeichnen. Ich hatte mit der Auswahl der Vorträge teils Glück, es war nur ein Vortrag dabei, den ich richtig schlecht fand. Der Rahmen, vom Service über Essen bis zu Ambiente glich das aber locker wieder aus.
Gerne wieder.
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