OKR Deep Dive #2: Konsens vs. KPI

OKR Deep Dive #2: Konsens vs. KPI

Avatar von Ben Kölbl

In OKR läuft bei euch nicht rund? Diese 7 Bremsklötze können dafür verantwortlich sein habe ich einen Überblick gegeben, welche Ursachen dazu führen können, dass OKR in Organisationen keine Fahrt aufnimmt.

Der folgende Artikel befasst sich mit Bremsklotz Nummer #2:

Das OKR-Set ist kein Konsens der Interessen der gesamten Organisation, sondern hat eher einen KPI-Charakter oder ist eine Abarbeitungsliste operativer Projektziele.

Das wirft die folgenden Fragen auf, die ich in diesem Artikel beleuchten werde:

  • Warum ist es entscheidend, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen?
  • Warum kann dieses Vorgehen zu Widerständen innerhalb der Organisation führen?
  • Was kann dabei helfen, diese Widerstände aufzulösen?

Viel Spaß beim Lesen.

Widerstand als Bremsklotz

Die Zusammenarbeit an einem kollektiven Ziel braucht Einigkeit und Zustimmung. Also ein gemeinsames Bild, bzw. Shared Mental Model, von dem, was das Ziel ausmacht. Und noch wichtiger, eine Antwort auf die Frage, warum es gilt, genau dieses Ziel zu erreichen. Auf persönlicher Ebene sollte die Mitarbeit am Entstehungsprozess möglich sein. Das hilft dabei, dass eine Identifikation mit diesem Ziel stattfindet – was sich wiederum motivierend auf meine Beteiligung auswirken wird.

Werden diese Faktoren nicht berücksichtigt, bleiben einige wichtige Motivatoren wie z. B. Sinnhaftigkeit der Arbeit, Autonomie und Selbstbestimmung, interessante und herausfordernde Aufgaben sowie Fairness und Gerechtigkeit auf der Strecke.

Das lässt Widerstände und passive Haltungen bei den Mitarbeiter:innen entstehen. Das kann zu folgenden negativen Auswirkungen führen:

  • Geringere Produktivität: Wenn überhaupt investieren Mitarbeiter:innen nur ein Mindestlevel an Zeit und Energie für die Mitarbeit an den OKRs
  • Fehlende Kollaboration, Partizipation, Ausrichtung und Teamwork: Wenn Mitarbeiter:innen sich selbst nicht beteiligen möchten, werden sie auch nicht in den Austausch mit Anderen gehen
  • Keine Innovation und Kreativität: Können Mitarbeiter:innen sich nicht mit den OKRs identifizieren, sinkt die Bereitschaft, sich kreativ bzw. innovativ einzubringen

Das ist ein Zustand, den eine Organisation natürlich vermeiden möchte. Ganz zu Schweigen davon, ihn zu fördern. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Förderung nicht selten unbewusst und unbeabsichtigt passiert.

OKR, als kollaboratives Zielsystem, baut auf die oben beschriebenen Motivatoren auf.
Ein Fehlen dieser Motivatoren kann sogar dazu führen, dass das gesamte OKR-Framework in Schieflage gerät.

Was führt nun aber konkret zu diesen negativen Effekten?

Gewohnheiten und ihre Auswirkungen

Kommen wir auf Bremsklotz #2 zurück:

Das OKR-Set ist kein Konsens der Interessen der gesamten Organisation. Sondern hat eher einen KPI-Charakter oder ist eine Abarbeitungsliste operativer Projektziele.

Begünstigt dieser Sachverhalt die beschriebenen Sachverhalte aus dem ersten Kapitel?

Auf jeden Fall!

Die Normalität, wenn Unternehmen zuvor noch nicht mit einem kollaborativen Zielsystem gearbeitet haben, sieht meiner Meinung nach so aus: Die Führungsebene gibt die Ziele vor, von denen sie annimmt, dass sie zum aktuelle Zeitpunkt das beste für die Organisation sind!

Diese Ziele repräsentieren aber vornehmlich die Interessen der Führungsebene. Das ist seit Jahren gelebte Praxis. Was sollte mich als Führungskraft dazu veranlassen, diese Praxis kritisch zu hinterfragten? Hier kommen 2 weitere Faktoren ins Spiel:

  • Die oben erwähnten unbewussten Auswirkungen. Entscheidungen und deren Auswirkungen sind in diesem System zeitlich und thematisch entkoppelt. Was eine kausale Zuordnung erschwert.
  • Die zusätzliche „Schwerkraft“ der Gewohnheit und die damit verbundene Trägheit für Veränderungen. Bzw. die fehlende Offenheit, eingeschliffene Gewohnheiten kritisch zu hinterfragen und Anpassungen zuzulassen.

Gewohnheiten lassen sich nicht einfach ändern. Sie ziehen sich durch alle Bereiche und Hierarchieebenen einer Organisation. Sie verlangsamen Veränderung und führen zusätzlich auch zu Widerständen.

Eine radikale Veränderung, also eine 180-Grad Kehrtwende, unter dem Motto “Morgen machen wir alles anders und besser” ist aber weit weg von der Arbeitsrealität und hat kaum Erfolgschancen.
Eine schrittweise Veränderung hingegen kann ein praxisnaher Ansatz sein.

Im nächsten Kapitel werde ich auf ein paar dieser Veränderungen näher eingehen.


OKR Focus Day 2024

OKR Focus Day 2024

Eine Organisation braucht ein gemeinsames Ziel

Lasst uns den Bremsklotz aufsplitten und auf die entscheidenden Punkte eingehen.

Kein Konsens der zu vertretenden Interessen – inklusive meiner persönlichen!

Was kann helfen:

  • Einholen der Interessen aller Mitarbeiter:innen
    ⇾ Ermöglicht es, Ideen für OKRs oder Themenbereiche einzureichen. Das kann z. B. durch einen Fragebogen realisiert werden. Gibt es bei der Auswertung vermehrte Nennungen gleicher Themen, herrscht hier seitens der Organisation ein gesteigertes Interesse, das bei der Ausarbeitung eurer OKRs berücksichtigt werden sollte.
  • Erarbeitung eines guten Konsens
    ⇾ Je größer die Organisation, desto größer auch die Menge an unterschiedlichen Themenbereichen, für das berechtigtes Interesse besteht. Aus dieser Gemengelage einen guten Konsens herauszuarbeiten ist nicht einfach. Es gibt aber vielfältige Methoden und Vorgehen, mit denen sich gute Ergebnisse erzielen lassen. Bezogen auf OKR Draftings habe ich mit folgendem Vorgehen (grob Umrissen) sehr gute Erfahrungen gemacht:
    • Teilnahme und aktive Mitarbeit von Vertretern der unterschiedlichen Bereiche, die einen guten Querschnitt der Organisation abbilden
    • Unterstützung durch eine starke Moderation
      Diese sollte z. B. auf Orientierung an Firmenvision, Timeboxing, Eingriff bei Abschweifungen, Outcome-Orientierung des Meetings und Einbeziehung aller Teilnehmer achten.
    • Kondensierung der Themen – inklusive der Ideen und Vorschläge aus der Organisation – durch Clustern
    • Priorisierung der Cluster durch Voting
    • Wording und Finetuning der OKRs durch Pitchen
  • Macht den Ausarbeitungsprozess transparent
    ⇾ Für Außenstehende ist es selten ersichtlich, wie schwer es ist, gute OKRs auszuarbeiten. Wie viel Arbeit dahinter steckt und welche Mühe die Beteiligten auf sich genommen haben. Gebt daher Einblick in eure Beweggründe und den Entscheidungsprozess. So schafft ihr mehr Verständnis, Klarheit und Nachvollziehbarkeit innerhalb eurer Organisation.
  • Fördert den Dialog.
    ⇾ Geht auf Fragen und Bedenken eurer Mitarbeiter:innen ein. Widerstände entstehen auch durch fehlendes Wissen, Ängste und Missverständnisse. Begegnet diesen durch offenen Dialog auf Augenhöhe, am besten durch eure OKR Buddies.

OKRs sind KPIs

Was kann helfen:

  • KPIs sind oft nicht motivierenden und fördern keine Identifizierung, Kollaboration und Alignment. Zudem bieten sie kaum kreative Möglichkeiten zur Beteiligung.
    ⇾ KPIs sind in der klassischen Formulierung als OKR nur bedingt geeignet. Dabei ist es durchaus möglich, KPIs in das OKR-Set einfließen zu lassen. Die Grundintention von KPIs ist denen von KRs ja durchaus ähnlich. Es geht darum, einen gewünschten Zielzustand messbar zu erreichen. Nur eben unter Einbeziehung der Organisation, auf motivierende Weise und in einem Rahmen, der Freiraum für kreative Mitarbeit ermöglicht. Achtet bei der Ausarbeitung daher stark auf das Wording und die Ausformulierung
    Sanityfragen als Qualitätskriterien können hilfreich sein:
    • “Sind die OKRs für die gesamte Organisation motivierend?”.
    • “Lassen die OKRs eine Identifizierung zu?”.
    • Ermöglicht die Formulierung der OKRs genügend Freiraum für eine kreative Beteiligung?”
  • KPIs vertreten in den meisten Fällen nur bestimmte Interessensgruppen wie Führungskräfte und Management
    ⇾ Wirkt dem entgegen, indem ihr bei der initialen Ideenfindung alle Mitarbeiter:innen einbezieht. Beteiligt beim OKR-Drafting einen guten Querschnitt eurer Organisation aktiv, um alle Interessen berücksichtigen zu können.

OKRs bilden operative Projektziele ab

Was kann helfen:

  • Operative Projekte sind keine Strategiearbeit und helfen für gewöhnlich nicht dabei, auf die Firmenvision hinzuarbeiten.
    ⇾ Operatives Projektgeschäft bildet das Tagesgeschäft ab. Diese Arbeit ist von der Flughöhe unterhalb der unternehmensweiten Strategiearbeit einzuordnen. Die Strategiearbeit hat als Zielsetzung, die Firmenvision als True North Realität werden zu lassen. Damit unterscheidet sie sich grundlegend von der Projektarbeit, die das Ziel eines erfolgreichen Projektabschlusses verfolgt. Das ist für mich einer der Gründe, warum Projektarbeit nicht in OKRs abgebildet werden sollte.
  • Projekte beziehen nicht die Interessen der gesamten Organisation mit ein
    ⇾ Die Interessengrenze ist durch die Beteiligung an dem Projekt gesetzt. Keine Beteiligung bedeutet in der Regel kein Bezug, kein Mehrwert, somit eben auch keine Motivation und Identifizierung. OKR bietet das Potenzial, all das zu fördern. Warum dieses Potenzial also nicht nutzen?
  • Durch das Abbilden von Projekten verlieren die OKRs ihren Fokus.
    ⇾ Projekte sind komplex und können durch eine Vielzahl von Metriken auf Erfolg und Fortschritt getrackt werden. Eine Abbildung dieses Sachverhaltes führt fast immer dazu, dass der Umfang der OKRs deutlich zunimmt. In einem Maß, dass die Fokussierung auf die wirklich relevanten strategischen Ziele verwässert und sich negativ auf deren Fortschritt auswirkt.

Summary

Die Umsetzung der oben genannten Herangehensweisen hängt natürlich auch von der Kultur, dem Führungsstil und der hierachischen Struktur ab. Sie können aber ein entscheidender Schritt sein, um die Arbeit mit OKR auf einer soliden Basis zu beginnen.

Natürlich müssen auch die Mitarbeiter:innen erst in die neue Verantwortung, Mitwirkung und Zusammenarbeit hineinwachsen.

OKR ermöglicht die gebündelte Innovationskraft, Mitarbeit und Ausrichtung aller. Und dafür lohnt sich der Invest doch sicherlich!

Wenn ihr euch mit anderen OKLern austauschen möchtet, werdet Teil unserer agilen Community THE AGILE HUB. Dort findet ihr nach Registrierung einen eigenen Bereich für den Austausch über OKR.

Ich freue mich auf eure Meinung und Erfahrung zu dem Thema.

PS: Für einen persönlichen Austausch bei einem virtuellen Kaffee bin ich immer zu haben.

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