UX-Metriken (User Experience-Metriken) sind Messgrößen, die verwendet werden, um die Qualität und Effektivität der Benutzererfahrung in Bezug auf digitale Produkte, Websites, Anwendungen und Dienstleistungen zu bewerten.
Diese Metriken helfen die Nutzerzufriedenheit, Benutzerfreundlichkeit und die Effizienz eines Produkts zu quantifizieren und zu verbessern. UX-Metriken erfassen also das reale Verhalten von Menschen bei der natürlichen Verwendung des Produktes. Doch welche Metriken gibt es und wie soll man mit der Erhebung anfangen?
Disclaimer: Qualitative Daten nicht vergessen
Zunächst ein kleiner aber wichtiger Disclaimer: Durch die kontinuierliche Überwachung und Analyse der UX-Metriken können Unternehmen ihre Produkte optimieren und die Benutzererfahrung verbessern. Diese quantitativen Kennzahlen liefern Daten darüber, ob die User Experience gleich bleibt, sich verbessert oder sich verschlechtert. ABER UX-Metriken liefern keine Informationen darüber, warum dies geschieht oder wie der aktuelle Zustand verbessert werden könnte. Deshalb ist es wichtig, quantitative Daten mit qualitativer Forschung zu verbinden, um die Bedürfnisse, Schmerzpunkte oder Erwartungen der Benutzer zu verstehen.
Kleiner Tipp an dieser Stelle: Eine kostenlose und leider viel zu oft unterschätze Quelle für wertvolle qualitative Daten ist der Customer Support. Die Häufigkeit und Art der Anfragen beim Customer Support hilft, Probleme oder Frustrationen der Benutzer frühzeitig zu bemerken und zu verstehen.
UX Metriken erheben
Zurück zum eigentlichen Thema: UX-Metriken erheben. Als Starthilfe möchte ich euch nun bekannte Fragebögen vorstellen, die sich aus der Forschung heraus etabliert haben.
Neben den unten skizzierten Optionen gibt es auch noch den SUMI – Software Usability Measurement Inventory. Diesen empfinde ich als gute Inspirationsquelle, aber mit 50 Items als deutlich zu lang. Ebenso ist der WAMMI (20 Items) eine spannende Option. Darüber hinaus werdet ihr noch viele weitere, weniger bekannte Optionen recherchieren können.
Los geht’s!
VisAWI – Visual Aesthetics of Websites Inventory
In einem intensiven Forschungsprozess wurde mit insgesamt über 4.000 Befragten mehr als 100 Webseiten in insgesamt zehn Studien hinsichtlich ihrer visuellen Ästhetik getestet. Daraus entstand der VisAWI mit 18 Items und die Kurzversion VisAWIS mit 4 Items. Die Herleitung als auch Auswertungsganleitung steht ebenfalls zur Verfügung.
Der VisAWI – Visual Aesthetics of Websites Inventory – erfasst vier zentrale Aspekte aus Nutzersicht: Einfachheit, Vielfalt, Farbigkeit und Kunstfertigkeit.
SUS – System Usability Scale
Der SUS nutzt 10 Items, um klassische Usability-Kriterien wie Benutzerfreundlichkeit, Nützlichkeit, wahrgenommene Komplexität, Konsistenz und Lernfreundlichkeit auf einer 5er-Skala bewerten zu lassen.
Der SUS liefert einen Score der eine Gesamtbenutzbarkeit ausdrückt; der Score kann zwischen 0 bis 100 liegen. Leider gibt es kein Auswertungstool. Ein Rechenbeispiel als auch alle Fragen findet ihr auf Seite 6 der Dokumentation.
Der PSSUQ (Post-Study System Usability Questionnaire) ist dem SUS ähnlich, deshalb wird an dieser Stelle nur erwähnt und nicht einzeln aufgeführt.
UEQ – User Experience Questionnaire
Der UEQ umfasst 26 Items und arbeitet mit Gegenpaaren (semantischen Differential auf einer 7er-Skala), die in 6 Dimensionen gebündelt werden: Attraktivität (Gesamteindruck des Produkts), Anschaulichkeit (einfach zu lernen), Effizienz, Verlässlichkeit, Anregung (Nutzung motivierend), Neuartigkeit (innovativ und kreativ). Die Kurzversion des UEQ nutzt nur 8 Items. Die Herleitung als auch Auswertungsganleitung steht ebenfalls zur Verfügung.
Darüberhinaus gibt es noch den UEQ+, welcher ein modularer Fragebogen ist, der 18 Dimensionen nutzt. In diesem Sinne ist der UEQ+ kein UX-Fragebogen, sondern ein Werkzeug, um konkrete Fragebögen zu erstellen, die für spezielle Evaluierungsszenarien optimiert sind.
Summary
Puh, das war eine Menge Holz. Gut sortiert wird ein schöner Stapel draus, daher einmal in einer Übersicht:
VisAWI | UEQ | SUS | |
---|---|---|---|
Fokus | Ästhetik | Attraktivität, Anschaulichkeit, Effizienz, Verlässlichkeit, Anregung, Neuartigkeit | Gebrauchstauglichkeit |
Umfang | 18 oder 14 Items | 26 oder 8 Items | 10 Items |
Erhebungsmethode | Umfragebasiert | Umfragebasiert | Umfragebasiert |
Reliable & Valide | Ja | Ja | Ja |
Lizenzpflichtig | kostenfrei | kostenfrei | kostenfrei |
Benchmarking | Ja (S. 16 Manual) | Ja, Teil der Auswertungs-Excel | Nein |
Und jetzt?!
Nachdem wir jetzt die verschiedenen Fragebögen und deren Ausprägungen kennengelernt haben, fragst Du Dich zu Recht: Und jetzt!? Die Auswahl der richtigen UX-Metriken hängt von den spezifischen Zielen des Produkts und den Bedürfnissen der Benutzer ab. Usability gibt es nicht in einem absoluten Sinne, sie kann nur in Bezug auf bestimmte Kontexte definiert werden.
Ohje, Berateranwort: „It depends!“
Um eine sinnvolle Zusammenstellung zu treffen, empfehle ich Dir zwei Frameworks: HEART und CASTLE. Mithilfe dieser Frameworks bekommst Du einen gedanklichen Rahmen, der Dich in die Lage versetzt, Metriken und deren übergeordnete Elemente (Dimensionen) von User Experience zu identifizieren und gleichzeitig auch auf Deinen spezifischen Kontext anzupassen. Nachfolgend möchte ich das HEART-Framework von Google vorstellen.
HEART-Framework
Das HEART-Framework umfasst fünf Elemente der User Experience, die Unternehmen dabei helfen, die Qualität und Effektivität ihrer Produkte in Bezug auf die Nutzerzufriedenheit zu bewerten:
- Happiness (Zufriedenheit): Diese Metrik misst die allgemeine Zufriedenheit der Benutzer mit dem Produkt, oft anhand von Umfragen oder Bewertungen.
- Engagement (Engagement): Hier wird erfasst, wie stark die Benutzer mit dem Produkt interagieren und wie oft sie es nutzen.
- Adoption (Akzeptanz): Dies zeigt, wie gut das Produkt oder einzelne Teile davon von Benutzern angenommen wird und wie schnell sie es in ihren Alltag integrieren.
- Retention (Bindung): Diese Metrik untersucht, wie viele Benutzer das Produkt langfristig nutzen und wie viele von ihnen zurückkehren.
- Task Success (Aufgabenerfolg): Hier wird gemessen, wie effizient Benutzer bestimmte Aufgaben innerhalb des Produkts erledigen können.
Das HEART-Framework verbindet verhaltensbezogene Metriken (behavioral metrics) und einstellungsbezogene Metriken (attitudinal metrics). Erstere geben Aufschluss darüber, wie Benutzer mit dem Produkt interagieren und wie erfolgreich sie damit umgehen (Benutzerfreundlichkeit) und Letztere, wie das Produkt wahrgenommen wird (Akzeptanz, Zufriedenheit, Glaubwürdigkeit, Loyalität). Anregung zu möglichen Metriken und deren Erhebung, die für Dich nützlich sein können, findest Du in den oben vorgestellten Fragebögen (oder im verlinkten Paper).
Das HEART-Framework bietet eine strukturierte Herangehensweise an die UX-Messung und der daraus resultierenden Verbesserung der Benutzererfahrung, die somit zielgerichtet in den Produktentwicklungsprozess einfließen kann.
UX-Metriken … und mehr?
Es gibt gute Gründe, sich mit der User Experience Deiner digitalen Produkte auseinanderzusetzen. Wenn Deine Nutzer zufriedener sind und effizienter mit Deinem Produkt umgehen können, desto intensiver werden sie es nutzen – und wahrscheinlich sogar weiterempfehlen.
Und wenn Du Dich bereits damit auseinandersetzt, interessierst Du Dich vielleicht auch für UX-Reifegrade.
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