Ein Wort dass ich niemals mit einer Techkonferenz – der SoCraTes – in Verbindung gebracht hätte ist … Zuhause.
Eigentlich könnte mir Soltau gar nicht fremder sein. Als Niederrheiner ,der jetzt schon sein halbes Leben im bayerischen Exil verbracht hat, kenne ich in der Gegend zwischen Hamburg und Hannover niemanden. Das Hotel, in dem ich schon dreimal zuvor gewesen bin, und dasselbe Familienzimmer, in dem ich zum dritten Mal mit meiner Frau und meinem Kind übernachtet habe, die sind mir sehr vertraut. Ich kann mich hier mit schlafwandlerischer Sicherheit zurechtfinden. Das musste ich ja auch, den auf einer Konferenz, auf der FOMO (Fear of Missing Out) der Dauerzustand ist, wird Schlaf gerne mal runterpriorisiert.
SoCraTes 2023
Zuhause. Zuhause ist da wo das WLAN sich automatisch verbindet. Zuhause ist da wo die Leute Deinen Namen kennen. Zuhause ist da wo Du herzlich willkommen geheißen wirst und emotionale Wärme vorherrscht. Ich war nicht der einzige dem es so ging.
Im Opening Event sprachen mehrere dieses Gefühl an. Ich habe viele bekannte Gesichter gesehen. Es gibt tatsächlich eine ganze Reihe von Leuten, die ich nur von der SoCraTes und ihren Ablegern kenne. Es gab aber auch genug neue Leute, die frischen Wind mit reingebracht haben: die Hälfte der Teilnehmenden im Opening Event waren zum ersten Mal mit dabei.
„Wer auch immer da ist, sind die richtigen Leute,“ ist eines der Prinzipien eines Open Space. SoCraTes zieht bisweilen aber genau die richtigen Leute an. Es ist die Kultur.
Kultur ist oft ein nebulöses Wort für etwas, was in einem Unternehmen aus Versehen passiert. SoCraTes ist die Gruppe, in der sie bisher am konsequentesten umgesetzt wurde. Ein harter Code of Conduct. Hilfsbereite und empathische Orgas. Klare Prinzipien. Das Event ist ein Leuchtturm für eine ganz spezielle Art von Mensch. Menschen, die Technik und Empathie mindestens gleichermaßen schätzen.
Der SoCraTes-Impuls
Ja und wie war jetzt die Konferenz? Für jeden – alle Beteiligten – ein Impuls. Für jeden? Wie kann ich das wissen? Nun… Die Geheimzutaten einer SoCraTes sind:
- Radikale emotionale Sicherheit.
- Kompetente, empathische Leute.
- Die fluideste aller Strukturen. Ich kann mich also öffnen und über die Probleme sprechen, die mich wirklich bewegen. Ich kann eine Session einstellen, um Leute zu finden, die mir genau mit meinem Problem oder meinem Thema helfen. (Das Werkzeug der Wahl können hier „Pull Sessions“ sein, eine Session die explizit sagt „Ich habe keine Ahnung hilft mir bitte weiter!“.) Diese Leute sind dann tatsächlich hier und helfen mir.
Meine persönliche Konferenzerfahrung ist somit zugeschnitten auf genau das, was ich brauche. Ich habe bisher keine andere Konferenz gefunden, die diese Punkte so gut hinbekommt wie die SoCraTes. Das Ergebnis ist, dass ich den Rat und die Optionen bekomme, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren.
Von Fragen, die wir nicht ausformulieren können
Viele Wege in der Softwareentwicklung sind oft versteckt im Nebel: Wie schreibt man eigentlich gute Software? Wie werde ich Senior? Wie gehe ich mit starken Emotionen im Arbeitsplatz um? Ist es unprofessionell, so zu sein, wie ich bin? Wie äußere ich Kritik, ohne dass man es mir übel nimmt? Kann mir jemand mal erklären ,warum ich Clojure lernen sollte?
Und oftmals sind es die Fragen die wir nicht ausformulieren können, die den größten Einfluss auf unser Leben haben. Das nagende Gefühl, dass irgendetwas hier schiefläuft, auch wenn niemand anders ein Problem damit zu haben scheint. Die Verwunderung, dass sich Leute merkwürdig verhalten, die sich aufklärt, wenn wir anfangen, ihre Position zu verstehen.
SoCraTes hat die bislang am weitesten gefächerten Themenbereiche, die ich je in einer Konferenz erlebt habe. Es gab eine Session über Schafe – keine Metapher. Und es gab eine Session darüber, Trauer zu refactoren. Es gab harte technische Themen auf jedem Layer; alles von tiefen Frontend-Themen, über Cloud, bis hin dazu, wie man –angefangen mit einer Kartoffel und einer Rolle Kupferdraht – einen Computer baut. Softskills und soziale Themen aller Art waren zu finden. Und Katas. So viele Katas.
Der Fokus Mensch
Warum eigentlich dieser harte soziale Fokus? Warum wird auf einer technischen Konferenz so viel über Gefühle gesprochen?
Wir alle sind schon einmal über Conways Law gestolpert („Software spiegelt immer die Kommunikationsstruktur innerhalb des Unternehmens wider.“). Oft zitieren wir es, um uns zynisch über Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben, Luft zu machen. Was aber, wenn doch?
Guter Code ist immer ein sozialer Prozess. Jede Veränderung in einem Unternehmen findet fast ausschließlich in unseren Köpfen statt. Und in der Art, wie wir miteinander umgehen. SoCraTes ist auch der richtige Ort, um die Ratschläge zu bekommen, die man sonst nicht hört. Auf Augenhöhe, zwischen Gleichgestellten, hört man was eigentlich funktioniert – und was nicht. Fern abseits von Marketing und Selbstdarstellung.
SoCraTes sagte selbst, dass auf anderen Konferenzen die Kaffeegespräche zwischen den Talks meist das lohnenswerteste sind. Genau deswegen sollen die Sessions hier diese Kaffeegespräche werden. (Nicht, dass die Kaffeegespräche hier vielleicht auch aus dem Grund nochmal etwas ganz besonderes sind.)
Es glüht mein Kopf
Wie jedes Jahr komme ich nach Hause mit einem Koffer voller Ideen, nicht zuletzt für coole Sessions die ich nächstes Jahr einstellen kann!
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