Feedback erhalten wir quasi ständig – es ist ganz einfach eine Rückmeldung auf das, was wir sagen und tun. Das ist in der Regel wiederum eine Aussage oder ein Verhalten in irgendeiner Form. Ob jemand die Augen verdreht, mich anlächelt, „Du hältst dich wohl für klug!“ oder „Danke“ sagt, ich erhalte eine ungesteuerte, spontane Reaktion.
Feedback kann aber auch zielgerichtet und konstruktiv sein, wenn es von vornherein so angelegt ist. Wir können es nutzen, um uns selbst besser kennenzulernen und zu entwickeln. Von Natur aus sind wir nämlich nicht in der Lage, alle Aspekte unserer Persönlichkeit zu erkennen und umfassend einzuschätzen. Wir haben gelernt, einen bestimmten (eingeschränkten) Blick auf uns und unsere Umwelt zu werfen. Deshalb sind wir darauf angewiesen, uns in anderen zu spiegeln, um ein möglichst vollständiges Bild von uns und unserer Welt zu erhalten.
Was Feedback leisten kann
Im Prinzip gehen wir dabei durch ein Spiegelkabinett: Jeder Spiegel bildet auf bestimmte Weise die Realität ab, aber jeweils mit seiner eigenen Verzerrung. Wir bekommen also nie ein komplettes, sondern immer nur ein individuell gefiltertes und verzerrtes Bild präsentiert. So verhält es sich auch im Feedback – der Feedback-Geber kann uns immer nur seinen Ausschnitt der Realität zeigen. Je mehr solcher Teil-Ausschnitte wir erhalten, desto vollständiger kann auch unser Bild werden. Das ist auch das Grundziel von Feedback – sein eigenes Bild vervollständigen, hinterfragen, korrigieren. Und das hilft dabei, meinen Beitrag zum Erfolg meines Teams oder Arbeitgebers (genauer) zu erkennen und gegebenenfalls zu verändern.
Eines ist dabei wichtig: Feedback bezieht sich grundsätzlich nicht nur auf Verbesserungspotenzial, sondern auf alles – auch das, was positiv ist.
Johari-Fenster: Einblicke in die eigene Psyche …
Das Johari-Fenster drückt modellhaft aus, was Feedback leisten kann. Es hilft, unseren blinden Fleck zu verkleinern. Also den Teil von uns, den wir im Gegensatz zu anderen nicht sehen:
Dadurch kann konstruktives Feedback u. a. folgendes bewirken:
- Es hilft bei der Selbsteinschätzung
- Es fördert persönliche Lernprozesse
- Es hilft, zielgerichtet zu arbeiten
- Es hilft bei der Fehlersuche
- Es hilft, Entscheidungen umfassender zu treffen bzw. zu validieren
- Es kann ermutigen
Feedback wird oft im Zusammenhang mit Mitarbeiterführung und -beurteilung verwendet und hat deshalb einen negativen Beigeschmack. Das ist in meinem Verständnis aber kein wirkliches Feedback, sondern eben eine Beurteilung. Feedback ist dagegen dann am wirksamsten, wenn es keine bestimmten Funktionen hat und ein paar grundlegenden Regeln folgt.
Wie gebe bzw. nehme ich sinnvoll Feedback?
Folgende Vorgehensweise hilft dabei, Feedback so konstruktiv und zielführend wie möglich zu gestalten:
Vor dem Gespräch
Der Feedbacknehmer sollte sich diese Fragen beantworten:
- Bin ich überhaupt bereit, Feedback zu empfangen?
Nur wenn ich offen bin und mich auf dass Feedback einlassen kann, kann es auch seinen ganzen Wert entfalten. Ohne echte Bereitschaft ist es Zeitverschwendung. - Was ist meine Intention? Was will ich für mich durch das Feedback erreichen?
Will ich einen Reality check machen (ob mein Erleben sich mit dem Erleben Anderer deckt)? Will ich etwas Bestimmtes für mich lernen? Möchte ich meine Kompetenz besser einschätzen können? Eine Klarheit in diesem Bereich gibt dem Feedback von vornherein eine Richtung. - Zu welchen Themen will ich Feedback?
Einzugrenzen, worum es geht (z. B. fachliches Verständnis, technische Kompetenz, Kooperationsfähigkeit, etc.) hilft sich im Feedback zu fokussieren.
Auch der Feedbackgeber sollte sich mit folgenden Überlegungen vorbereiten:
- Bin ich grundsätzlich bereit dazu, Feedback zu geben?
Auch als Geber braucht es eine grundsätzliche Bereitschaft, den Prozess mit dem Nehmer zu starten. Es ist nicht sinnvoll, über seinen Unwillen hinwegzugehen. Kann ich nicht vollständig Ja sagen, dann ist es besser Nein zu sagen, um Misstöne von vornherein zu vermeiden. - Mit welcher Absicht gehe ich in das Gespräch?
Hier geht es darum, eine positive Absicht einzunehmen. Also dem Nehmer zu helfen, etwas zu lernen, etwas Neues zu erfahren, mehr Klarheit zu gewinnen. Und nicht darum, etwas für mich zu erreichen oder gar Dampf abzulassen. - Kann ich sachlich genug bleiben?
Der Nehmer möchte etwas zu bestimmten Sachverhalten erfahren. Bin ich in der Lage, mich auf diese Themen zu konzentrieren oder rutsche ich in Urteile, Interpretationen oder Gefühle ab? Dann ist es besser, nicht ins Gespräch zu gehen.
Im Gespräch
So sollte sich der Nehmer verhalten:
- Ich höre aufmerksam zu. Ich möchte die Weltsicht meines Gegenübers hören und verstehen. Dafür brauche ich nichts weiter zu tun als meine Ohren zu öffnen. Eine Reaktion darauf ist nicht nötig.
- Ich frage nach, wenn ich etwas nicht verstanden habe oder mehr dazu erfahren möchte. Auch hier geht es ums Verstehen der anderen Position und nicht um eine Reaktion.
- Rechtfertigungen, Erklärungen, Verteidigung sind unnötig bis kontraproduktiv – Feedback ist schließlich keine Beurteilung oder Anweisung. Es geht nicht um richtig oder falsch!
Und so ist der Geber am hilfreichsten:
- Eine möglichst klare Beobachtung der konkreten Situation schildern. Was habe ich gesehen, gehört oder irgendwie anders wahrgenommen? Es ist wichtig für das gegenseitige Verständnis, sich auf konkretes Verhalten zu beziehen und dieses so sachlich wie möglich zu beschreiben.
- Davon trenne ich meine persönliche Bewertung der Situation. Ich sage, wie sie auf mich gewirkt hat und mache es als mein individuelles Erleben deutlich. Was habe ich gedacht, gefühlt?
- Optional: Ich spreche eine konkrete Bitte an den Nehmer aus. Wenn ich mir bestimmtes (anderes) Verhalten vom Nehmer wünsche, teile ich das mit.
Nach dem Gespräch
Zum Abschluss sollte der Nehmer das tun:
- Ich mache einen Geschmackstest: Ich kaue kurz durch, was ich gehört habe. Schmeckt es mir, schlucke ich es, wenn nicht, spucke ich es aus. D. h., ich entscheide, was davon ich umsetzen möchte und kann – und was nicht.
- Ich bin dankbar für die Mühe des Gebers. Er hat mir ein Geschenk gemacht, nämlich seine Sichtweise auf mich und seine Umwelt zu erläutern und mich damit im besten Fall in meiner eigenen Sichtweise zu bereichern.
Der Geber steigt am besten so aus dem Feedback aus:
- Ich lasse los – meine Worte, meine Erwartungen, meine Ansprüche – und lasse den Nehmer entscheiden, was er davon annimmt und umsetzt. Mein Feedback ist keine Anweisung, sondern ein Angebot an den Nehmer. Das kann er akzeptieren oder ablehnen.
- Selbstreflexion – aus meiner Reaktion vor dem, im und nach dem Gespräch kann ich auch etwas über mich lernen: Worauf achte ich? Was ist mir besonders wichtig? Was übersehe ich womöglich? Wie gehe ich damit um, wenn der Geber etwas nicht annimmt bzw. umsetzt?
Noch ein Tipp
Sei im Zweifel im Feedback lieber echt als umständlich oder unklar. Methodentreues Vorgehen kann hemmend auf den freien Ausdruck wirken. Dann ist es besser, echt zu sein als sich an Methoden zu halten, die nicht zielführend sind. Die richtige positive Absicht ist entscheidend – die kommt an.
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