Empathy Map

Aber bitte mit Empathie!

Avatar von Helen Sedlmeier

Ihr braucht schnell und einfach eine Möglichkeit eine Persona zu entwickeln und wollt dafür Einfühlungs- und Vorstellungsvermögen aufbauen? Habt aber weder Zeit noch Budget für eine feinsäuberliche „research-feste“ Persona?

Kein Problem: Die Kombination aus Prototyp-Persona und Empathy Map rettet Euch. Wofür ihr die Empathy Map sonst noch nutzen könnt und was das eigentlich ist, erfahrt ihr jetzt.

First things first: Prototyp-Persona

Die Lean-UX-Bewegung hat uns die Prototyp-Persona (auch Proto-Persona, Ad-hoc-Persona) zur Verfügung gestellt. Diese vereinfachte Form der Persona kommt am Anfang der Produktentwicklung, bei innovativen Produkterweiterungen oder bei der Einführung nutzerzentrierter Methoden zum Einsatz.

Prototyp-Personas können datenbasierte Personas nicht ersetzen; helfen aber dabei, in die Gänge zu kommen. Deshalb sollte fortlaufend überprüft werden, ob die getroffenen Annahmen verifizierbar sind und man von diesem Startpunkt eine echte Persona mittels kontinuierlicher User Research generieren kann. Erst dann sollte man auf Personas auch strategische Entscheidungen treffen. (Wenn man schon einen Kundenpool im CRM hat, kann man natürlich Kundensegmentierungen und andere Datenquellen nutzen, um „handfeste“ Personas zu erstellen. Diesen Vorsprung hat man in der Neuproduktentwicklung jedoch häufig nicht.)

Das Lean-UX-Template der Prototyp-Persona sieht so aus:

Lean UX Proto-Persona nach Gothelf 

Um diese Prototyp-Persona zum Leben zu erwecken und auch gleichfalls mehr über die Tauglichkeit der Proto-Persona zu lernen, hilft die Empathy Map.  

Nachdem ihr die Prototyp-Persona erstellt habt, checkt ihr mit Hilfe der Empathy Map, wie sich jene Persona in Bezug auf Euer Produkt fühlen würde. Dieses Gedankenexperiment hilft Euch in die Prototyp-Persona hineinzuversetzen, zu ergänzen und auch kritisch zu reflektieren, ob die Prototyp-Persona zu idealisiert/künstlich ist. 

Zudem kann die Prototyp- und/oder Persona-Erstellung genutzt werden, um Alignment herzustellen. In einem großartigen Artikel von Jeff Gothelf erklärt er einen Workshop, in dem das Top-Management eingeladen wird und sich an der Persona-Entwicklung beteiligt.

Jetzt aber zurück zu meiner anderen Wunderwaffe, der Empathy Map.

Was ist die Empathy Map?

Der Entwickler der Methode, David Gray, hat die Empathy Map als Teil eines „human-centered design toolkit“ bei XPLANE erstellt. Und ja, es ist ein Canvas!

Quelle: Gamestorming

Es hilft, sich in die Lage der Persona zu versetzen und Verständnis aufzubauen – das rückt Empathie in den Mittelpunkt. Aus meiner Sicht ist es ein gelungenes Tool, welches einfach im Handling ist, sich sehr gut mit weiteren Methoden verbinden lässt und weitere Anwendungsmöglichkeiten bietet. Dazu später mehr.

Die Empathy Map im Detail

Das Canvas hat sieben Punkte, die jedoch in drei Schritten durchlaufen werden. Es ist wichtig, sich an die Reihenfolge zu halten. Wir bekommen ein Gefühl dafür – wie es sich anfühlt – „sie zu sein“.

Das Who/Do

Im ersten Schritt absolviert man das Who/Do.

Es wird die Persona erörtert (Punkt 1) und was diese Persona erreichen oder tun möchte (Punkt 2). Somit legt man den übergreifenden Zielraum (GOAL; siehe graue Fläche oben) fest. Anhand dieser Informationen kann man Entwürfe testen, indem man prüft: Wird diese Lösung unserem Publikum (WHO) helfen, die gewünschte Handlung (DO) auszuführen? 

  1. WHO are we empathizing with? Hier geht es um die Persona, die man verstehen möchte. Fasse die Situation oder Rolle zusammen. (Ausgangspunkt kann bspw. eine Prototyp-Persona sein)
  2. What do they need to DO? Das ist das, was der Benutzer tun soll. Wie sieht der Erfolg aus? Was muss er oder sie zum Beispiel anders machen oder entscheiden? Hier legt man den Kontext für die Aktivität fest.

Die Umwelt und die Persona

Im zweiten Schritt geht es um die Umwelt und die Persona.

Was kann man sehen, hören, erfassen, tun und hören? Dazu werden nun nacheinander die Punkte 3 bis 6 beantwortet. Beginne, Dir die Erfahrungen und Eindrücke des Benutzers vorzustellen und wie es ist, „sie zu sein“.

  1. Sehen: Was sieht die Persona an einem typischen Tag? Was sieht die Persona in der definierten Situation? Was sieht sie, wenn sie den Markt der Anbieter möglicher Lösungen betrachtet? Was lesen sie? Wo informieren sie sich?
  2. Sagen: Was sagen sie? Was für Dinge erzählen sie den Leuten? Was ist eine der Schlüsselbotschaften, die sie teilen? Was bringen sie als Hoffnungen oder Pessimismus zum Ausdruck?
  3. Handeln: Was macht die Person an einem typischen Tag? Was macht sie in der definierten Situation? Was steht auf der Liste dieser Person an erster Stelle? Womit verbringt sie die meiste Zeit? Womit wollte sie ihre Zeit verbringen?
  4. Hören: Welche akustischen Eindrücke hört die Person in der Situation (Geräusche, Stimmen etc.)? Was hört die Person typischerweise von Personen aus ihrem Umfeld? Welchen Informationen ist sie ausgesetzt? Was hören sie aus zweiter Hand? Wer hat Einfluss auf diese Person? (z. B. Veröffentlichungen, Foren usw.) Welche Botschaften hört diese Person von diesen Einflüssen?

Introspektive

Im dritten Schritt geht es um die Introspektive.

Hier werden die Gedanken und Gefühle erforscht, die im Inneren der Persona liegen und nicht direkt beobachtbar sind. Diese können gefolgert, erraten oder auch durch direkte oder indirekte Aussagen – beispielsweise während eines User-Interviews – festgehalten werden. Dies ist der zentrale Punkt, bei dem man sprichwörtlich in den Kopf der Persona blickt. Indem wir uns überlegen, was unsere Persona denkt und fühlt, wollen wir verstehen, wie es zu Entscheidungen kommt und was diese als Schmerz oder Gewinn empfindet.

  1. Denken & Fühlen: Was denkt und fühlt die Person an einem typischen Tag oder in der spezifischen Situation?
    • Pains: Was sind die Ängste, Sorgen, Nöte, Verluste, Frustrationen, Probleme der Persona?
    • Gains: Was sind die Wünsche, Hoffnungen, Gewinne, Träume und Bedürfnisse der Persona?
    • Other: Welche anderen Gedanken und Gefühle könnten ihr Verhalten motivieren?

Tipp: An diesem Punkt blickt man auf die anderen Bereiche der Karte: Gibt es irgendetwas, das uns sofort hilft, Schmerzen und/oder Vorteile für diese Person oder Zielgruppe zu verstehen?

Wie verwendet man die Empathy Map? 

Du hast die Möglichkeit, sie allein, gemeinschaftlich in einer Workshop-Session oder – wenn Du jemanden kennst, der direkten Draht zur Zielgruppe/Nutzergruppe hat (Sales, Customer Contact Center, Bekannter, etc.) – gemeinsam auszufüllen und dabei darüber zu sprechen.

Im Rahmen des Blogartikels möchte ich auf die Workshop-Session eingehen. Denn sie ermöglicht es, viele Einschätzungen aus dem Team (inkl. Developer!) zu sammeln.

Ausfüllen in einer Workshop-Session

Zunächst wird der Kontext festgelegt in dem die Person der Zielgruppe mithilfe der Empathy Map betrachtet werden soll. Man kann gemeinsam – also in einer Gruppe – die verschiedenen Punkte der Empathy Map durchgehen und die Gedanken sammeln, diskutieren und mit Post-its auf der Map platzieren.

Alternativ kann man die Empathy Map in Kleingruppen ausfüllen lassen und später die Ergebnisse gemeinsam diskutieren und wieder in einer Map zusammenführen. Insbesondere bei der Vorstellung der Maps zeigen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede die Überraschungen bergen können.

Falls ihr remote zusammenarbeitet, nutzt das Miro-Template oder den Canvas Generator.

Die Erstellung einer ersten Empathy Map im Alleingang dauert rund 20 Minuten. Im Workshopformat sollte man 60 – 90 Minuten einplanen.

Worauf sollte man achten?

Fokussiert Euch: Erforscht nur was für die Wahrnehmung des Benutzers in Bezug auf das Produkt relevant ist. Es geht nicht darum, den Nutzer in all seinen Facetten zu erfassen.

Weglassen und erweitern möglich: Man kann die Map um eigene Kategorien erweitern oder auch Kategorien auslassen. Es gibt sicherlich Situationen und Kontexte, in denen nicht alle Felder wirklich gut zu befüllen sind. Das ist normal.

Verzetteln: Manche Punkte, die ihr findet, lassen sich wahrscheinlich mehr als einer Kategorie zu ordnen. Verliert Euch nicht in Details, schließlich geht es nicht darum Informationen korrekt zu klassifizieren, sondern sich in den Nutzer hineinzuversetzen.

Keine Daten: Die Empathy Map ist ideal, um schnell ein Gefühl für die Persona zu erlangen, jedoch handelt es sich dabei nicht um einen Ersatz für eine echte Zielgruppenanalyse; die aufgeworfenen Punkte, müssen verifiziert werden! Die Empathy Map kann dann weiterverwendet werden, um die stichfesten Punkte zu visualisieren und zu kommunizieren. Dabei stellt man dann auch automatisch fest, wo noch Wissenslücken sind, welche geschlossen werden müssen.

Mehrere Personas: Man kann für jede Persona eine eigene Empathy Map erstellen.

Single Source of Truth

Ganz nebenbei habt ihr nun bemerkt, dass die Emapthy Map somit zur „single source of truth“ werden kann. Die Informationen werden zudem verständlich und übersichtlich zusammengestellt. Falls man einen Teamraum hat, kann die Empathy Map auch präsent im Raum aufgehängt werden.

Eine Hoffnung begleitet mich: Je präsenter der Nutzer ist, desto weniger Voreingenommenheit oder unbegründeten Annahmen kommen uns in die Quere. So prominent aufgehängt, dient die Empathy Map als konstanter Reminder für die Nutzerzentrierung.

Wofür kann man die Empathy Map noch nutzen?

Wenn ihr jetzt schon denkt: „Boah, das ist ja wirklich mal praktisch!“ Habe ich jetzt noch mehr schlagkräftige Anwendungsszenarien für die Empathy Map.

  • Bei Beobachtungsstudien: Wenn ihr Kunden in der freien Wildbahn beobachtet, könnt ihr die Empathy Map nutzen, um Eure Beobachtungen aufzuschreiben.    
  • Befragungen des Kunden: Falls ihr keinen eigenen Interviewleitfaden habt und eine Situation aus Kundensicht erörtern möchtet, könnt ihr die Empathy Map nutzen.
  • Analog zu obigen Beispielen kann die Empathy Map nach oder während Salesgesprächen/Kundendemos genutzt werden, um deren Feedback und Resonanz einzufangen. Gerade in frühen Phasen der Produktentwicklung sollte jedes Kundengespräch als kostenlose Marktforschung verstanden werden.

Generell kann sie immer herangezogen werden, um sich stärker in die Persona hineinzuversetzen; also beim Ausarbeiten einer User Story oder beim Eintauchen in die verschiedenen Kundensegmente für Überlegungen rund um das Business Model Canvas oder wenn man das Value Proposition Canvas ausfüllt.

Disclaimer: Off-Label Use

Um noch eins draufzusetzen, habe ich noch zwei weitere, weniger offensichtliche Anwendungsszenarien für die Empathy Map:

Agile Coaches

Agile Coaches können die Empathy Map auch nutzen. Wenn man eine agile Transformation begleitet, kann man die Empathy Map nutzen, um sich in die verschiedenen Rollen im Unternehmen hineinzuversetzen. Was wird ein langjähriger Mitarbeiter der mittleren Management-Ebene im Konzern denken und fühlen innerhalb einer agilen Transformation? So kann man Widerstände besser verstehen und auch Lösungen finden oder Herausforderungen proaktiv ansprechen.

Product Owner

Product Owner können die Emapthy Map für das Stakeholdermanagement nutzen. Stell Dir vor Du hast ein schwieriges Gespräch vor Dir und möchtest eine Gesprächsstrategie ausarbeiten … dafür kannst Du die Emapthy Map nutzen. Welche Art Information ist wichtig für den Stakeholder? Wie will dieser Stakeholder Informationen verarbeiten? Welche Chance ergeben sich aus dieser Situation? Wie wird der Stakeholder die geteilten Informationen nutzen?

Diese Überlegungen helfen Dir den Einstieg und Verlauf des Gesprächs vorzubereiten und ggf. passende oder ergänzende Informationen für das Gespräch aufzubereiten. Diese Vorbereitung gibt Dir mehr Sicherheit im Gespräch.

Das richtige Tool für Euch?

Ich hoffe, ich konnte Euch von der Nützlichkeit der Emapthy Map überzeugen!

Die Einfachheit und zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten machen die Empathy Map zu einem wertvollen Werkzeug. Es ist ein Tool, das kollaborative Erarbeitung als auch Visualisierung ermöglicht und das Wissen über einen bestimmten Nutzertyp zusammenfasst. Dies hilft, ein gemeinsames Verständnis der Beweggründe und Nutzerbedürfnisse zu generieren und die Entscheidungsfindung für Priorisierung, Produkt- und Feature-Ausrichtung zu unterstützen.

Quellen

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