Was tun, wenn man es als Dienstleister mit der Insolvenz eines Kunden zu tun hat? Mit diesem Thema mussten wir uns auseinandersetzen – und ich stelle euch unseren Lösungsansatz vor.
In der Welt des Dienstleistungssektors ist die Beziehung zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden von entscheidender Bedeutung. Oftmals entstehen langfristige Partnerschaften, die auf Vertrauen, Zusammenarbeit und gegenseitigem Nutzen basieren. Doch was passiert, wenn ein Kunde während eines laufenden Projekts insolvent wird? Diese Situation kann für beide Parteien unvorhergesehen und herausfordernd sein.
In diesem Beitrag beleuchte ich, wie wir als Dienstleister professionell mit unserem insolventen Kunden umgehen, um ihre eigenen Interessen zu schützen und gleichzeitig faire Lösungen anzubieten. Das ist eine komplexe, ethisch sowie kommunikativ herausfordernde Situation, die stets eine sorgfältige Abwägung zwischen geschäftlichen Interessen und moralischer Verantwortung erfordert.
Insolvenz des Kunden: Verständnis der Situation
Die Insolvenz eines Kunden während eines laufenden Projekts verursacht eine Vielzahl von Problemen, darunter finanzielle Verluste, Zeitverzögerungen und rechtliche Fragen. Für uns war es daher von äußerster Priorität, die genaue Natur der Insolvenz zu verstehen, einschließlich der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Auswirkungen auf das laufende Projekt.
Kommunikation und Transparenz
Eine offene Kommunikation mit dem insolventen Kunden war und ist für uns an der Stelle entscheidend. Als Dienstleister haben wir dem Kunden nach Kenntnis der Situation ausdrücklich unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Unterstützung erklärt. Diese Transparenz hatte ein noch größeres Vertrauen als Outcome und ermöglichte es beiden Parteien, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Darüber hinaus haben wir unser Kommunikationsintervall erhöht, um stets die besten Lösungen für die gegebenen und sich schnell verändernden Rahmenbedingungen zu suchen.
Bewertung der eigenen Position
Dienstleister müssen selbstverständlich auch sorgfältig ihre eigene Position und Interessen bewerten. Das umfasst die Analyse der finanziellen Auswirkungen, das Risikomanagement und eventuell auch rechtliche Überlegungen.
Es ist wichtig, realistische Erwartungen zu haben und gleichzeitig unsere Verpflichtungen gegenüber anderen Kunden und Mitarbeitern zu berücksichtigen.
Wir haben an der Stelle einen eigenen Forecast erstellt und dem Kunden transparent zur Verfügung gestellt. Dieser Forecast zeigt die Kosten des aktuellen Teams pro Monat für die ersten beiden Quartale auf. Das hatte zur Folge, dass der Insolvenzverwalter einen monatlichen Betrag genehmigte, der für unser Team abrechenbar zur Verfügung steht. Dieser Betrag ist sogar ein wenig über der Höchstgrenze, die wir vorausgesagt haben. Somit stehen zumindest den finanziellen Herausforderungen, die eine Zusammenarbeit in dieser Situation mit sich bringt, nichts mehr im Weg.
Flexibilität und Lösungsorientierung
Angesichts einer solchen unvorhergesehenen Situation ist Flexibilität von entscheidender Bedeutung. Wir waren bereit, alternative Lösungen zu prüfen, die den Interessen aller beteiligten Parteien gerecht werden. Das kann die Neugestaltung des Projektplans, die Anpassung von Zahlungsbedingungen oder die Umstrukturierung von Vereinbarungen umfassen. In unserem Fall hat es sich lediglich auf Ersteres ausgewirkt.
Ethik und Verantwortung
Letztendlich müssen Dienstleister ihre ethische Verantwortung gegenüber allen Stakeholdern berücksichtigen. Das bedeutet, faire und transparente Geschäftspraktiken zu fördern, die den Grundsätzen der Integrität und Partnerschaftlichkeit entsprechen.
Während wirtschaftliche Interessen natürlich wichtig sind, darf dies trotzdem nicht auf Kosten ethischer Standards geschehen. Zwischenzeitlich haben wir mit Stakeholdern gearbeitet, die nicht wussten, ob und wie lange sie noch für das Unternehmen tätig sind und ob bzw. wann sie gekündigt werden. Auch diese Situationen galt es zu meistern, was uns mit viel Empathie und Einfühlungsvermögen gelungen ist. Eine Kommunikation auf der emotionalen Ebene war daher wichtiger als je zuvor.
Wir als Mayflower haben es uns hierbei zur Aufgabe gemacht, kreative und Project-first-Lösungen zu finden, die viel bringen und wenig Kosten.
Um ein paar Beispiele zu nennen:
- Technische Kosteneinsparungen erkennen: Umzug von einer gemanagten Infrastruktur hin zu AWS spart einen sechsstelligen Betrag im Jahr ein
- Low-hanging fruits mitnehmen: iOS-PWA wieder an den Start bringen statt nativer Appentwicklung / PWABuilder
- Project-first: Einsatz für Schlüsselpersonen beim Kunden, damit das Onlinegeschäft weiterhin reibungslos verlaufen kann
- Ja, wir haben als Dienstleister nicht die “wir verkaufen euch mehr Leute”-Karte gespielt, sondern uns explizit für wichtige Schlüsselpersonen eingesetzt, die tatsächlich daraufhin ein nachträgliches Angebot erhalten haben
- Empathie: Wir bieten unseren Ersthelfer für mentale Gesundheit auch dem Kunden an, da dort durch die Insolvenz viele Menschen gekündigt wurden und die Arbeitsbelastung auf Einzelpersonen deutlich gestiegen ist, teilweise um 400 Prozent
- Eigeninitiative: Wir als Team haben in Eigenverantwortung überlegt, wie man dem Kunden in der jetzigen Situation helfen kann, Aufgaben abnehmen kann, Prozesse anpassen oder einführen muss, damit das Projekt trotz der vielen Herausforderungen, die eine Insolvenz mit sich bringt, rund läuft
Fazit
Der Umgang mit einem insolventen Kunden während eines laufenden Projekts erfordert ein hohes Maß an Professionalität, Empathie und ethischer Verantwortung von Seiten des Dienstleisters. Durch offene, empathische und lösungsorientierte Kommunikation, Flexibilität, Kreativität, Eigeninitiative und einer klaren Ausrichtung auf ethische Grundsätze konnten wir als Dienstleister dazu beitragen, diese schwierigen Situationen zu bewältigen und unsere langfristige Geschäftsbeziehung zu erhalten sowie zu vertiefen. Eine Geschäftsbeziehung, die auf gegenseitigem Vertrauen und Respekt basiert, auf die wir auch in Zukunft bauen, sobald die Umstrukturierung des Kunden ihre verdienten Früchte trägt.
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